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Auskunftsanspruch gemäß TKG § 66 h

Auf Ihrer Telefonrechnung erscheint ein Posten für eine Mehrwertnummer (0180, 0900, 0137, 010xx, beim Handy auch fünfstellige Rufnummern ohne Vorwahl), den Sie sich nicht erklären können? Hier wird beschrieben, wie Sie herausfinden, wer Ihnen da was genau in Rechnung stellt.

Welche Gesetzeslücken nutzten die Betrüger?

Im Zusammenhang mit Betrug bei Telefonmehrwertdienstleistungen hat man es oft mit einem verworrenen Geflecht zwischen dem Anbieter der Leistung und dem dazugehörigen Netzbetreiber zu tun. Sehr oft findet man hier Konstellationen vor, die mit Absicht verschleiern sollen, wer denn nun der tatsächliche Anbieter der angeblichen Mehrwertleistung war.

Durch eine politisch offenbar gewollt dort untergebrachte Gummiformulierung im § 45 h Telekommunikationsgesetz (TKG) ist es möglich, dass der Verbindungsnetzbetreiber zunächst einmal Ihrem Telefonprovider zur Rechnungserstellung nicht den tatsächlichen Anbieter der Leistung übermitteln muss. Sie finden daher in Ihrer Telefonrechnung oft nur die Angabe des sogenannten Verbindungsnetzbetreibers vor.
Die fragliche Mehrwertrufnummer erscheint i.d.R. gekürzt auf der Rechnung, so dass es Ihnen nicht möglich ist, den Betreiber der Rufnummer herauszufinden.

Der Verbindungsnetzbetreiber betreibt das Netz für die Schaltung dieser Mehrwertnummern, ist aber tatsächlich nicht Anbieter der Leistung selbst und demzufolge auch nicht Ihr Vertragspartner. Er stellt lediglich die Infrastruktur (Netz, Leitungen) zur Verfügung und möchte sich gern selbst von jeglichen Haftungsansprüchen wegen Mehrwertbetrugs gem. TKG befreit sehen. Daher hat der Verbindungsbetreiber selbst (gerichtlich bestätigt) keinerlei Zahlungsansprüche an Sie und darf die Mehrwertleistung auch nicht inkassieren.

Nun ist es so, dass diese merkwürdige Konstellation gezielt von den Mehrwertbetrügern ausgenutzt wird. Aus naheliegenden Gründen:

  • Es werden dadurch strafrechtliche Ermittlungen behindert und verzögert.
  • Es wird die Bundesnetzagentur dadurch gezielt an der Nase herumgeführt.
  • Es wird ganz bewußt eine intransparente Situation für den Verbraucher geschaffen ("Nebelkerzenmethode").
  • Der Verbraucher weiß nicht, wer sein Vertragspartner ist, und erfährt dies z.T. erst in Briefen eines Inkassobüros.
  • Der Verbindungsnetzbetreiber erklärt, sein Name sei Hase, er wisse von keinem Mehrwertbetrug seines Kunden.
  • Der Verbindungsnetzbetreiber hält den Verbraucher hin und behauptet, der Leistungsanbieter sei "nicht mehr feststellbar" etc.
  • Es wird ganz bewußt Steuerhinterziehung ermöglicht.

Wie können Sie sich wehren?

Diese Nebelkerzenmethode müssen Sie sich als Verbraucher nicht bieten lassen. Das gleiche Gesetz (TKG), dass durch eine Gummiformulierung (s.unten) dieses Vorgehen ermöglicht, hat Ihnen mit dem § 66 h glücklicherweise ein Mittel in die Hand gegeben, mit dem Sie als Verbraucher auf einer schlüssigen Auskunft bestehen können, wer Ihr Vertragspartner ist. So etwas sollte ja im Geschäftsleben eigentlich auch eine Selbstverständlichkeit sein. Sie haben daher das Anrecht, den Betreiber der Mehrwertleistung inklusive gültiger, ladungs- und zustellfähiger Anschrift zu erfahren:

                Telekommunikationsgesetz § 66h: Auskunftsanspruch, Datenbank für (0)900er Rufnummern:

(1) Jedermann kann in Schriftform von der Bundesnetzagentur Auskunft über den Namen und die ladungsfähige Anschrift desjenigen verlangen, der über eine (0)190er Rufnummer Dienstleistungen anbietet. Die Auskunft soll innerhalb von zehn Werktagen erteilt werden. Die Bundesnetzagentur kann von ihren Zuteilungsnehmern oder von demjenigen, in dessen Netz die (0)190er Rufnummer geschaltet ist oder war, Auskunft über die in Satz 1 genannten Angaben verlangen. Diese Auskunft muss innerhalb von fünf Werktagen nach Eingang einer Anfrage der Bundesnetzagentur erteilt werden. Die Verpflichteten nach Satz 2 haben die Angaben erforderlichenfalls bei ihren Kunden zu erheben und aktuell zu halten. Jeder, der die entsprechende (0)190er Rufnummer weitergegeben hat oder nutzt, ist zur Auskunft gegenüber dem Zuteilungsnehmer und gegenüber der Bundesnetzagentur verpflichtet.
(2) Alle zugeteilten (0)900er Rufnummern werden in einer Datenbank bei der Bundesnetzagentur erfasst. Diese Datenbank ist mit Angabe des Namens und der ladungsfähigen Anschrift des Diensteanbieters im Internet zu veröffentlichen. Jedermann kann von der Bundesnetzagentur Auskunft über die in der Datenbank gespeicherten Daten verlangen.
(3) Die Bundesnetzagentur hat unverzüglich auf schriftliche Anfrage mitzuteilen, in wessen Netz Rufnummern für Massenverkehrsdienste, Auskunftsdienste oder Geteilte-Kosten-Dienste geschaltet sind. Das rechnungsstellende Unternehmen hat unverzüglich auf schriftliche Anfrage mitzuteilen, in wessen Netz Kurzwahldienste geschaltet sind. Jeder, der ein berechtigtes Interesse daran hat, kann von demjenigen, in dessen Netz eine Rufnummer für Massenverkehrsdienste, Geteilte-Kosten-Dienste oder für Kurzwahldienste geschaltet ist, unentgeltlich Auskunft über den Namen und die ladungsfähige Anschrift desjenigen verlangen, der über eine dieser Rufnummern Dienstleistungen anbietet. Die Auskunft nach Satz 3 soll innerhalb von zehn Werktagen nach Eingang der schriftlichen Anfrage erteilt werden. Die Auskunftsverpflichteten haben die Angaben erforderlichenfalls bei ihren Kunden zu erheben und aktuell zu halten. Jeder, der ein berechtigtes Interesse hat, kann von demjenigen, dem eine Rufnummer für Neuartige Dienste von der Bundesnetzagentur zugeteilt worden ist, unentgeltlich Auskunft über den Namen und die ladungsfähige Anschrift desjenigen verlangen, der über eine dieser Rufnummern Dienstleistungen anbietet.

Ein Musterschreiben an einen Verbindungsnetzbetreiber finden Sie hier.

Wichtig für Sie:

  • Es liegt nicht im Ermessen des Verbindungsnetzbetreibers, ob eine derartige Auskunft erteilt wird. Sie haben einen gesetzlich festgelegten Anspruch darauf.
  • Als Rechnungsempfänger gehören Sie zum Personenkreis, der ein "berechtigtes Interesse" an einer solchen Auskunft hat.
  • Die Auskunft soll innerhalb 10 Werktagen erteilt werden.
  • Es darf kein Entgelt für die Erteilung der Auskunft verlangt werden.

Erfolgt die von Ihnen geforderte Auskunft nicht, oder werden nur irreführende bzw. hinhaltende Angaben gemacht, beschweren Sie sich über den Verbindungsnetzbetreiber bei der Bundesnetzagentur. Das passende Beschwerdeformular finden Sie hier. Bitte auch die Hinweise beachten.

Das gleiche gilt, wenn Sie eine obskure Adresse des Betreibers im Ausland erhalten, die sich dann als nicht zustellfähig erweist. Briefe dorthin kommen oft als "unzustellbar" zurück. Sehr oft werden Ihnen hierbei Briefkastenadressen in irgendeinem britischen Hinterhof, gern aber auch in der Schweiz (besonders: Kanton Zug), oder auf den Jungferninseln oder sonstwo präsentiert.

Lassen Sie sich das nicht gefallen. Richten Sie ein Widerspruchsschreiben an den Betreiber, an diese Adresse. Wenn dieser Brief als "unzustellbar" zurückkommt, beschweren Sie sich bei der Bundesnetzagentur über den Verbindungsnetzbetreiber. Dieser muß eine ladungs- und zustellfähige Anschrift seines Vertragspartners vorliegen haben.

Worin besteht die Gummiformulierung des § 45h TKG?

Im Satz 1 ist davon die Rede, dass die Telefonrechnung für Leistungen anderer Anbieter den "Anbieter von Netzdienstleistungen" ausweisen soll. Wer das jedoch ist, bleibt offen. Dieser Begriff wurde bezeichnenderweise im TKG nirgends legaldefiniert. Im Beck´schen Kommentar zum TKG wird diese Formulierung dahingehend interpretiert, dass hier der Verbindungsnetzbetreiber gemeint sei.

Diese Gummiformulierung (es wird ein Begriff gebraucht, der nirgends legaldefiniert wurde...) kann jedoch eigentlich nicht zufällig dort untergebracht worden sein.

Dieser scheinbare handwerkliche Fehler hat eine ernste Konsequenz: es wird dadurch betrügerisch arbeitenden Mehrwertdienstanbietern indirekt ermöglicht, ihre Identität auf den Telefonrechnungen zu verschleiern. Dadurch, dass nur der Verbindungsnetzbetreiber genannt werden muß, können sie sich erfolgreich hinter diesem Unternehmen verstecken.

Hier hat man ein Beispiel dafür, wie offensichtlich politisch gewollt oder zumindest geduldet auf Betreiben einer Lobby ein Gesetzestext verwässert wurde. Das Einbringen einer solchen Formulierung dürfte weder durch Zufall noch durch Unachtsamkeit erfolgt sein. Im Gesetzgebungsprozeß sind ganze Heerscharen von Juristen damit befaßt, den neuen Gesetzestext auf gerade solche Ungereimtheiten abzuklopfen. Gerade dafür werden diese denn auch bezahlt - von unseren Steuergeldern. Im Zusammenhang mit einer gründlichen Prüfung hätte den Juristen auffallen müssen, dass hier ein Begriff gebraucht wird, der nirgends legaldefiniert wurde. Ein Lapsus, der sonst im Gesetzgebungsverfahren stets peinlichst vermieden wird.

Fragen Sie Ihren Bundestagsabgeordneten nach diesen oder anderen rechtlichen Schnitzern der Gesetzgebung. Und fragen Sie ihn auch, ob er weiß, wer dieses Land regiert.




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Diese Seite wurde zuletzt am 18. Oktober 2010 um 16:38 Uhr geändert. Diese Seite wurde bisher 25.647-mal abgerufen.
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