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Beweiswert elektronischer Kommunikation

Dieser Artikel will Ihnen einen vielleicht einmal für Sie wichtigen Denkzettel verpassen. Er will Ihnen sagen, dass der Beweiswert elektronischer Kommunikation gleich Null ist.

Hier geht es darum, mit weitverbreiteten Vorurteilen aufzuräumen. Nämlich mit dem Vorurteil, dass man im Rahmen des technischen Fortschritts inzwischen zur beweiskräftigen Klärung von Streitigkeiten auf die briefliche Schriftform verzichten könne. Das ist jedoch nicht der Fall.

Inhaltsverzeichnis

Erfahrungen aus dem Forum

Gerade weil viele Zeitgenossen sich unsicher in der Formulierung offizieller Briefe zeigen, sind sie bestrebt, Streitigkeiten möglichst am besten per Telefon, SMS oder e-Mail zu klären. Oder sie möchten gern Porto oder die Gebühren für das Einschreiben sparen und vertrauen auf das schnelle und elegante Fax.

Wenn es dann zu Streitigkeiten kommt, verstehen sie oft die Welt nicht mehr, wenn gemachte Zusicherungen auf einmal bestritten werden, und das leider oft mit Erfolg. Oder wenn vielleicht sogar von der gegnerischen Partei gänzlich abgestritten wird, diese e-Mail oder jenes Fax erhalten zu haben, oder überhaupt ein Telefonat geführt zu haben.

Hinterher sind sie dann schlauer: "Ach, hätte ich das doch per Brief, Einschreiben mit Rückschein gemacht..."

Problembeschreibung

Telefonische Kommunikation

Im Forum finden sich viele Hinweise darauf, dass sich sehr viele Zeitgenossen sich im Rahmen der Kommunikation vor allem mit halbseidenen, unseriösen Unternehmen dazu verleiten lassen, zur Klärung von Streitigkeiten die sogenannte "Hotline" des Anbieters anzurufen. Dort zeigt man sich dann gegenüber den Problemen des Anrufers oft sehr nett und verständnisvoll, es wird dann oft alles Mögliche "bestätigt" oder "zugesichert". Ja, die Stornierung des Auftrags sei entgegengenommen. Ja, es habe jetzt alles seine Richtigkeit, ja, man brauche sich jetzt keine Sorgen mehr zu machen. Ja, es kämen jetzt bestimmt keine Rechnungen mehr. Und was dergleichen Nettigkeiten noch mehr sind.

Kurze Zeit später fallen diese Zeitgenossen dann aus allen Wolken: Es kommt eine weitere Mahnung, vielleicht sogar ein gerichtlicher Mahnbescheid. Daraufhin hört man dann immer wieder den Einwand: "Ja, aber ich habe doch mit der Frau Hinterlader im Callcenter gesprochen. Die hat mir zugesichert, der Auftrag ist storniert."

Es kommt dann vielleicht zum Prozess. In diesem Prozess geht es dann z.B. darum, ob die Kosten für das gerichtliche Mahnverfahren sowie die Hauptforderung rechtens sind.

Jetzt stehen Sie als beklagte Partei vor dem Richter und versuchen, mit dem Brustton der Überzeugung und mit treuherzigem Augenaufschlag Ihren Standpunkt glaubhaft zu machen.: "Ich habe mit der Frau Hinterlader im Callcenter der Firma Latzmirwas GmbH gesprochen. Die hat mir zugesichert, der Auftrag ist storniert."

Jetzt wird die Klägerin dazu befragt, ob das so richtig sei. Und - holla - die Firma bestreitet zwar nicht, mit Ihnen telefoniert zu haben. Aber jetzt wird dazu die Zeugin, Frau Hinterlader, vorgeladen. Frau Hinterlader gibt mit treuherzigem Augenaufschlag zu Protokoll: "Also, das muss die Beklagte falsch verstanden haben. Wir haben zwar miteinander telefoniert, aber es ging dabei nur um die Durchgabe neuer Gewinnzahlen für unsere Glückslotterie."

Was soll jetzt der Richter sagen? - Es steht Aussage gegen Aussage. Der Richter sagt dann dazu nur ganz lakonisch in etwa Folgendes:

Zitat

"Die Beklagte trägt vor, am ... telefonisch die Mitarbeiterin der Klägerin kontaktiert zu haben. Im Verlauf dieses Gesprächs sei ihr die Zusicherung gegeben worden, dass der Auftrag storniert werde und dass keine Forderung mehr bestehe.

Die Klägerin, unterstützt durch die Zeugenaussage der Mitarbeiterin Frau Hinterlader, bestreitet dies. Es habe zwar ein Telefongespräch gegeben, eine Zusage zur Stornierung des Auftrags sei dabei aber keinesfalls abgegeben worden.

Die Beklagte kann eine schriftliche Bestätigung der Auftragsstornierung seitens der Firma Latzmirwas nicht vorweisen. Ihr eigener Vortrag reicht nicht als Anscheinsbeweis zur Stützung ihres Standpunkts. Der Vortrag der Beklagten, der Auftrag sei storniert worden, ist daher nicht erfolgreich.

Die Klägerin legt einen rechtswirksamen schriftlichen Vertrag vom ... vor. Eine Rechnung wurde am ... der Beklagten zugestellt, die erste Mahnung am ..., der gerichtliche Mahnbescheid am ... veranlasst. Es liegt ein wirksamer Vertrag vor. Zweifel daran hat die Beklagte nicht vorgetragen. Die Forderung ist rechtmäßig. Die Beklagte hat erst dem Mahnbescheid am ... schriftlich widersprochen. Auch in diesem Widerspruch konnte die Forderung nicht erfolgreich bestritten werden.

Der Klage war daher stattzugeben.

Die Beklagte wird verurteit zur Zahlung der Hauptforderung von ... Euro zuzüglich Zinsen von ... Euro, nebst Mahnkosten ... Euro, nebst Kosten für das Mahnverfahren ... Euro, nebst Gerichtskosten ... Euro, nebst Anwaltskosten der Klägerin ... Euro" (Quelle: Beispielhafter Auszug aus einem (fiktiven) Urteil)

So einfach sieht das dann aus. Und der Richter kann gar nicht mal anders. Er kann nur glauben, was er sieht. Bekommt er nichts (Schriftliches) zu sehen, glaubt er erst einmal gar nichts. Kann der Kläger dann einen gültigen Vertrag vorweisen, gibt es für den Richter keinen Grund mehr, die Forderung zurückzuweisen. Die Beklagte könnte in so einem Fall wohl noch nicht einmal mehr das Vorliegen eines Vertrags bestreiten, da sie ja vorgebracht hat, eben wegen dieses Vertrags bei der Hotline angerufen und um Stornierung gebeten zu haben. Also könnte sie jetzt, selbst wenn der Kläger keinen unterschriebenen schriftlichen Vertrag hätte, nur sehr schwer diesen Vertrag bestreiten.

An diesem Beispiel ist zu erkennen, wie aussichtslos Ihre Rechtslage oft ist, wenn Sie im Streitfall darauf angewiesen sind, den Gesprächsinhalt irgendeines Telefonats als Beweis in einem Zivilprozess verwenden zu müssen. Das ist nur erfolgreich, solange die gegnerische Partei den Tatbestand des Gesprächs sowie den von Ihnen vorgebrachten Gesprächsinhalt nicht bestreitet. Sie können sich aber an den Fingern einer Hand abzählen, dass Sie darauf nicht immer vertrauen können. Sobald nämlich die gegnerische Partei allein nur den Gesprächsinhalt ganz anders darstellt als Sie, stehen Sie ganz dumm da. Der Beweiswert dieses Gesprächs ist dann in etwa einem Dialog mit einer Müslischale gleichzusetzen. Ihren Fall können Sie regelmäßig verloren geben, wenn Sie außer diesem Telefonat nichts mehr an Munition aufzubieten haben.

Ein Gesprächsmitschnitt auf Band oder digital ist ohne vorherige Einwilligung des Gesprächspartners strafbar wegen der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes (§ 201 StGB) und kann in einem Zivilprozess als Beweis i.d.R. nicht verwendet werden.
Das Mithören durch Zeugen ohne Einverständnis des Gesprächspartners (etwa durch die Lautsprechvorrichtung des Telefons) ist ebenfalls entgegen einem landläufigen Irrtum später 'nicht als Beweismittel verwendbar. Solche Zeugen werden regelmäßig im Zivilprozess nicht zugelassen. Ein Grundsatzurteil dazu hat das Bundesverfassungsgericht am 09.10.2002 gefällt (Az: 1 BvR 1611/96).
Beachten Sie im Zusammenhang mit Mitschnitten auch die Hinweise im Artikel Gesprächsaufzeichnung_–_Mitschnitt.

Sie werden im Streitfall kaum eine praktikable Möglichkeit haben, beweiskräftig den Gesprächsverlauf eines Telefonats darzulegen.

Daher gilt: Telefongespräche dienen Ihrem Privatvergnügen, haben aber keinen rechtlich bindenden Beweiswert. Es kann Ihnen dort alles und nichts versprochen werden - beweisen können Sie das im Streitfall nicht.

Diese Rechtslage besteht jedoch letztlich auch zu ihrem eigenen Schutz. Denn wenn ein Unternehmen z.B. behauptet, Sie hätten telefonisch etwas bestellt, dann hat wiederum das Unternehmen keinerlei praktikable Möglichkeit, einen Anspruch durchzusetzen, wenn Sie bestreiten, während des Telefonats Ihre Einwilligung zur Bestellung irgendeiner Ware oder Dienstleistung gegeben zu haben. Hier hätte nämlich das Unternehmen die Beweislast. Näheres dazu im Wiki-Artikel über telefonisch abgeschlossene Verträge.

e-Mail

Das Medium e-Mail ist ein relativ unsicheres Kommunikationsmedium. Der rechtliche Beweiswert ist dem eines Telefonates ähnlich. Es ist bekannt, dass e-Mails immer mal nicht ankommen, und es ist in solchen Fällen zwar die Regel, aber nicht 100%-ig zwingend, dass eine Fehlermeldung an den Absender versendet wird. Selbst, wenn Sie also ein Datenprotokoll Ihres Providers vorlegen könnten, das Ihnen den Versand der Mail bescheinigt, können Sie noch lange nicht beweisen, dass die Mail beim Empfänger angekommen ist.

Siehe dazu das Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 05.12.2006 (3 U 167/05)

Urteilstext auf justiz.nrw.de

Ein anderes Problem ist die Manipulierbarkeit der elektronisch gespeicherten Daten. So kann z.B. auch die Übertragung einer Mail mit unverfälschtem Inhalt technisch nicht erfolgreich bewiesen werden. Prinzipiell kann der Versender oder der Empfänger auch den Inhalt der präsentierten Mail selbst nachträglich verändert haben. Es handelt sich nur um den Ausdruck eines manipulierbaren Datenprotokolls, und nicht um ein Dokument.

Siehe dazu z.B. das Urteil des Amtsgerichts Bonn vom 25.10.2001 (3 C 193/01).

Urteilstext auf jurpc.de

Eine E-Mail wäre eigentlich nur dann beweisbar mit definiertem Inhalt zugestellt, wenn der Empfänger eine Empfangsbestätigung bzw. Antwort unter Zitierung des Originaltexts mit digitaler Signatur versendet hätte. In diesem Zusammenhang treten allerdings zwei Probleme auf:

  1. Der Empfänger kann nicht dazu gezwungen werden, eine Empfangsbestätigung zu senden.
  2. Die digitale Signatur hat sich bisher nicht breitenwirksam und einheitlich durchsetzen können. Es gibt auch keinen Zwang, eine signierte Empfangsbestätigung zu senden.
Also: wenn Sie dem Richter Ausdrucke der von Ihnen versendeten e-Mails vorlegen, kann der Prozessgegner jederzeit erfolgreich bestreiten, diese oder jene e-Mail von Ihnen erhalten zu haben. Zumindest dann, wenn der Empfänger auf Ihre e-Mail nicht reagiert, müssen Sie immer damit rechnen.

Fax

Es ist ein weit verbreitetes Vorurteil, dass ein Ausdruck des Faxjournals (Versendeprotokoll), wo der erfolgreiche Versand des Faxes protokolliert wird, als Beweis für die Zustellung des Faxes beim Empfänger ausreicht. Das ist allerdings eine urbane Legende.

Aufgrund mehrerer Urteile des Bundesgerichtshofs war es stets als gültige Rechtsprechung anzusehen, dass der Empfänger jederzeit trotz Vorliegen des Faxjournals beim Versender erfolgreich den Zugang des Faxes bestreiten kann. Durch technische Gutachten wurde bestätigt, dass es Fälle geben kann, wo trotzdem das Fax nicht "im Machtbereich des Empfängers eingeht", obwohl dem Versender der Empfang im Protokoll bestätigt wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 23.10.1995, Az. II ZB 6/95; Urteil vom 07.12.1994, Az. VIII ZR 153/93).

Es gab zwar in der neueren Rechtsprechung Urteile, wo dies wieder relativiert wurde, z.B. das Urteil des OLG Karlsruhe vom 30.09.2008 – 12 U 65/08, oder das Urteil des OLG Celle, vom 19.06.2008 - 8 U 80/07M; und das Urteil des OLG Frankfurt vom 05.03.2010 - 19 U 213/09. Bei neuen, modernen Faxgeräten gingen mehrere Oberlandesgerichte davon aus, dass technische Störungen, die trotz des "OK"-Vermerks im Sendeprotokoll den korrekten Empfang verhindern, nicht mehr vorkämen - es sei denn, der versierte Prozessgegner bringt hierzu eine qualifzierte technische Argumentation. Die Frage blieb bis zu einer erneuten Klärung durch den BGH evtl. strittig. Nun hatte jedoch im Juli 2011 der BGH erneut über diese Frage zu entscheiden. Und der BGH hat seine alte, bereits bekannte Linie doch wieder bekräftigt (Beschluss vom 21. Juli 2011, IX ZR 148/10).
Urteilstext bei openjur.de
Neue, gesicherte technische Erkenntnisse, nach denen der OK-Vermerk nicht nur das Zustandekommen einer Verbindung, sondern auch die korrekte Übermittlung des Kommunikationshinhalts beweise, seien nicht bekannt.

Auch das Zitieren von Teilen des übermittelten Textes im Versendeprotokoll würde nach Ansicht des Autors diese Unsicherheit nicht aus der Welt schaffen. Denn dieser Text wird vom versendenden Faxgerät dem Vermerk unten angeheftet, das Zitat stammt nicht vom empfangenden Faxgerät. Vor dem Hintergrund dieses neuen BGH-Urteils kann man nun wirklich niemandem mehr guten Gewissens empfehlen, auf das Fax mit Versendeprotokoll als alleinige Zustellform zu vertrauen.

Lediglich dann, wenn der Empfänger seinerseits in einer Antwort Bezug auf Inhalte Ihres Faxes nimmt, wird er den Zugang ebendieses Faxes nicht mehr bestreiten können. Reagiert er jedoch nicht auf Ihr Fax, können Sie niemals sicher sein, dass er nicht hinterher den Zugang des Faxes bzw. die erfolgreiche Übermittlung abstreitet.

Also: das Fax ist für die Kommunikation mit einem Unternehmen dann ungeeignet, wenn Sie in einem Streitfall beweisen können müssten, dass das Fax zugestellt wurde. Das Fax ersetzt daher im vorgerichtlichen Streit keinesfalls die Schriftform per Brief mit Einschreiben bzw. mit Gerichtszustellung.

Fazit

Die elektronischen Kommunikationsformen Telefon, e-Mail, Fax sind nur geeignet für die Kommunikation zwischen seriösen Gesprächspartnern, die sich gegenseitig ein Mindestmaß an Vertrauen entgegenbringen.

Sobald Sie jedoch den geringsten Anlass haben, an der Seriösität Ihres Gesprächspartners zu zweifeln, sollten Sie unbedingt auf Telefon, e-Mail oder Fax verzichten und ausschließlich die Schriftform, mindestens als Brief per Einschreiben mit Rückschein, verwenden.

Wenn Sie ganz sicher gehen wollen, sollten Sie sogar die Form der Zustellung mit Gerichtsboten verwenden, weil in diesem Fall der Empfänger z.B. nicht mehr behaupten kann, in Ihrem Posteinschreiben sei ein leeres Blatt Papier gewesen, oder eine bestimmte Anlage habe gefehlt. Eine unseriöse Schutzbehauptung, die unter ungünstigen Umständen (besonders bei komplizierten Fällen mit hohen Streitwerten) jedoch durchgehen kann.

Lesen Sie dazu auch den Artikel über Zustellmöglichkeiten von Briefen.

Links

  • Artikel auf answer24.de über die sichere Zustellung von Willenserklärungen [1]
  • Artikel bei 123recht.net über die Rechtslage zu Fax-Sendeprotokollen [2]



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Diese Seite wurde zuletzt am 23. Februar 2013 um 22:10 Uhr geändert. Diese Seite wurde bisher 65.585-mal abgerufen.
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