Dieser Artikel behandelt den Begriff der "Verwirkung" im deutschen Recht. |
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Eine Forderung, die eigentlich noch nicht verjährt ist, kann trotzdem verwirkt sein.
Neben dem Rechtsbegriff der Verjährung dient auch die hier beschriebene "Verwirkung" dem Zweck der Aufrechterhaltung des allgemeinen Rechtsfriedens. Daher gibt es eine Regelung, die besagt, dass ein eigentlich bestehender Rechtsanspruch unter bestimmten Umständen nicht mehr durchsetzbar ist.
Genau wie bei der Verjährung ist es auch bei der Verwirkung notwendig, dass der in Anspruch Genommene (also: der Beklagte vor Gericht) aktiv "einredet", also: selbständig die Einrede der Verwirkung vorbringt, um sein Leistungsverweigerungsrecht in Anspruch zu nehmen. Unterlässt er dies, so wird dieses Recht vom Gericht nicht berücksichtigt.
Die Rechtsgundlage der Verwirkung wird in der Generalklausel des § 242 BGB (Treu und Glauben) geregelt:
§ 242 BGB - Leistung nach Treu und Glauben: Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. |
Hieraus hat sich in der geltenden Rechtsprechung der folgende, allgemein anerkannte Grundsatz herausgebildet:
Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht hat und der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat und sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten auch darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde. |
Hierfür werden natürlich hohe Anforderungen gesetzt. Es ist nicht immer gesagt, dass der Schuldner "einfach so" darauf vertrauen darf, dass der Gläubiger die Forderung nicht mehr beanspruchen werde. Sondern dafür gibt es im wesentlichen drei wichtige Bedingungen:
Kommen wir jetzt zu einigen Beispielfällen.
Fall 1 Die Nachforderung einer Bank nach Jahren Leider hat B. daher auch die Kontoauszüge weggeworfen. Er war der falschen Ansicht, nach 3 Jahren Verjährungsfrist brauche er die nicht mehr. Er hat nicht gewusst und daher nicht beachtet, dass bei Verbraucherdarlehensverträgen (und dazu gehören Überziehungskredite!) eine zehnjährige Hemmung der Verjährung greift, bevor überhaupt die 3-jährige Regelverjährungsfrist des BGB zu laufen beginnt. Nun kommt dem B. aus heiterem Himmel ein böser Brief vom Rechtsanwalt Heuler ins Haus. Oskar B. wird aufgefordert, einen horrenden Betrag von 1267 Euro zu zahlen. Angeblich sei damals das Girokonto überzogen gewesen, der Überziehungskredit sei nicht bezahlt worden, und außerdem seien jetzt während der ganzen Zeit Überziehungszinsen aufgelaufen, die Herr B. bitteschön auch noch zu berappen habe. Daraus ergebe sich, leider leider, diese Forderung, die jetzt zu zahlen sei, andernfalls werde Mahnbescheid beantragt, bei der Schufa eingetragen, Klage eingereicht, der Gerichtsvollzieher in Marsch gesetzt, und so weiter und so fort. Muss B. also jetzt tatsächlich zahlen? Eine rechtliche Prüfung dieser Forderung ergibt im einzelnen:
Rechtsfolge: die Forderung ist zwar noch nicht verjährt, aber verwirkt. B. durfte sich angesichts aller hier greifenden Begleitumstände darauf einrichten, dass die Prosit-Bank entweder keine Forderung mehr gegen ihn hat, oder dass sie eine eventuelle Restforderung nicht mehr betreibt. Die Prosit-Bank hat keinen Zahlungsanspruch. Oskar B. lässt am besten seinen Anwalt einen entsprechenden Brief an Rechtsanwalt Heuler schreiben. Dieser darf B. daraufhin nicht bei der Schufa eintragen, weil die Forderung bestritten ist, § 28a BDSG. Wenn Heuler Klage gegen B. einreicht, dann verliert Heuler mit hoher Sicherheit das Verfahren; einem Mahnbescheid muss B. nur innerhalb von 14 Tagen widersprechen, dann kann Heuler ihm auch nicht den Gerichtsvollzieher auf den Hals schicken. Solange Heuler nicht wirklich Klage einreicht - und es ist mehr als fraglich, ob er das probiert - haben er und die Prosit-Bank keine Handhabe gegen B. |
Fall 2 Nachforderung bei zuerst geduldeter Mietminderung |
Fall 3 Rückforderung der Überbezahlung einer Bauleistung |
Ein gültiger Vollstreckungstitel ist, auch wenn er 30 Jahre lang gültig ist, kein Sofakissen, auf dem sich der Gläubiger einfach ausruhen kann. Viele Gläubiger wissen nicht, dass sie mit der Untätigkeit in die böse Falle der Verwirkung laufen können.
Die bekannte Rechtsprechung geht von einem kritischen Zeitraum von ca. 8 bis 9 Jahren aus. Wenn ein Gläubiger während dieses langen Zeitraums aus unerfindlichen Gründen überhaupt gar keine Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Schuldner betreibt, obwohl dies möglich gewesen wäre (d.h. der Schuldner ist nicht z.B. unbekannt verzogen und ohne Ummeldung abgetaucht...), dann ist die Forderung als verwirkt zu betrachten - Titel hin, Titel her!
Einschlägige Urteile hierzu:
Bei einer so langen Zeit unbegründeter Untätigkeit des Gläubigers darf der Schuldner nach Treu und Glauben darauf vertrauen, dass der Gläubiger den Anspruch (obwohl tituliert!) nicht mehr beitreiben wird. Auch wenn ein Vollstreckungstitel 30 Jahre gültig ist: er kann unter Umständen bereits vorher verwirkt sein. Holen Sie ggf. hierzu Rechtsberatung ein.
Wikipedia-Artikel über die Verwirkung im deutschen Recht
12:24, 9. Dez. 2012 (UTC)