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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Senioren (wie meine Mutter)



callabass
11.03.2007, 20:56
Hallo allerseits!
Zunächst mal: ich bin hier neu und aufgrund meiner dringend notwendigen Recherche "aufgeschlagen" ;)

Das Problem: meine Mutter ist mittlerweile 84 Jahre alt und seit längerem Kundin u. a. bei einem der "grössten Versender für Gesundheitsprodukte". Ich war einige Zeit beruflich verhindert und habe kaum etwas davon mitbekommen.

Nun wird sie etwas "tüddelig" und benötigt Hilfe und häufige Anwesenheit. Im Rahmen der "Aufforstung" ihrer Unterlagen fand ich dann Schränke voller unerledigter Post - sie ist permanent überfordert, denn eigentlich bearbeitet und beantwortet sie schon immer jeden Brief gesondert.

Das geht allerdings nicht mehr, denn in den Stapeln von Papier fand ich zwar Dutzende von Kontoauszügen und die übliche Post(ungeöffnet) - aber insgesamt 1,5 Meter teilweise bearbeiteter Werbeanschreiben mit
Gewinnversprechen oder guten Ratschlägen von "Medien", total gruselig.

Der Hammer dabei ist, dass tatsächlich wichtige Post irgendwo untergemüllt wird, die Telefonrechnung aber regelmässig mehr als 500,- monatlich betrug. Ich habe dann erstmal die kostenpflichtigen Rufnummern an ihrem Anschluss sperren lassen.

Jetzt (und vorher sicher auch schon) schickt sie andauernd die Rückantworten nebst Bargeld an die verschiedensten Adressen in Österreich, der Schweiz und in Übersee. Heute zeigte sie mir ein sowohl schmuckvoll als auch schwer amtlich aussehendes Schreiben, in dem ihr versichert wird, dass sie einen neuen Passat gewonnen hat (na so was). Ob ich ein neues Auto benötige, oder ob sie lieber Bargeld anfordern soll?

Meine Erklärungen und Ermahnungen helfen nicht die Bohne. Sie scheint verzweifelt auf einen "Hauptgewinn" zu hoffen.

Da ich berufstätig bin und 60 km entfernt wohne, kann ich auch nicht dauernd vor Ort sein.

Gibt es eine rechtsgültige, rechtskräftige und nachhaltige Methode, diesen Quatsch (ich halte es für kalkuliertes Unrecht) zu unterbinden?

mareike26
11.03.2007, 21:13
Hallo callabass,

willkommen im Forum.
Leider bin ich grade sehr knapp in der Zeit, aber Eine Idee fällt mir dazu ein: Du solltest vielleicht die Möglichkeit einer Entmündigung Deiner Mutter in Betracht ziehen. Vor allem, wenn sie ihr Leben nicht mehr selber regeln kann, wäre das sowohl Dir als auch ihr eine Hilfe, da man euch beiden Eure Sorgen abnimmt. Das entzieht ihr entweder ganz oder teilweise die Geschäftsfähigkeit.
In der Wikipedia gibt es dazu einen Artikel (http://de.wikipedia.org/wiki/Entm%C3%BCndigung).

Entmündigungen erfolgten auf Antrag eines Familienangehörigen oder des Staatsanwaltes. Sie erfolgten nach einem Verfahren der streitigen Gerichtsbarkeit im Rahmen der Zivilprozessordnung. Ihnen folgte die Bestellung eines Vormundes in einem separaten Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit durch das Vormundschaftsgericht.
Unsere anderen Forumsmitglieder haben bestimmt noch die eine oder andere Idee.

Wuschel_MUC
11.03.2007, 21:14
...Mutter ist mittlerweile 84 Jahre alt...
Nun wird sie etwas "tüddelig"
...Gibt es eine rechtsgültige, rechtskräftige und nachhaltige Methode, diesen Quatsch (ich halte es für kalkuliertes Unrecht) zu unterbinden?
Lies hier nach: http://www.juristische-betreuung.de/
Es wird dich nicht in Hochstimmung versetzen. Aber die Formulierung "wer seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht zu besorgen vermag" könnte nach meiner unjuristischen Meinung einschlägig sein.

So lange deine Mutter nicht unter Betreuung steht, kannst du ohne ihre Zustimmung nichts gegen die Absender der Werbeschreiben unternehmen.

Der Normalbürger wirft halbseidene Werbung weg oder schreibt den Absendern grobe Briefe. Wenn deine Mutter trotz -zig Erläuterungen auf halbseidene Werbeanschreiben anbeißt, kann man dem Absender nicht vorwerfen, dass er wiederum antwortet.

Frage beim Versorgungsamt oder bei einem Anwalt, hier darf es keine Rechtsberatung geben.

homer
11.03.2007, 21:22
Gibt es eine rechtsgültige, rechtskräftige und nachhaltige Methode, diesen Quatsch (ich halte es für kalkuliertes Unrecht) zu unterbinden?

Du solltest mal mit der Schuldner- bzw. Sozialberatung reden. Die können Dir Lösungen anbieten, wie Du Deine Mutter von diesen Abzockerbanden wegbringst.

Je nach Status der "Tüddeligkeit" empfehle ich Dir zu überlegen, ob Du nicht die Vormundschaft für Deine Mutter beantragen solltest. Das ist aber ein ernster Schritt, der mit sogfältiger Beratung bei den entsprechenden Stellen (s.o.) erfolgen muss.

BTW: Ich hab im Moment auch so einen Fall in der Familie, wo Senioren nach der Teilnahme an Preisausschreibeneinfach mal "höchst dubiose Gesundheitsprodukte" (VZ HH (http://www.vzhh.de/~upload/rewrite/TexteRecht/GewinnspieleListe.aspx)) nebst Rechnung zugesandt werden. Die Keule ist grade am Schwung holen ;)

sierra1875
19.07.2007, 10:12
Hallo callabass,

genau die gleiche Situation hatte ich bei meinem 81-jährigen Vater.
Aufgefallen ist das erst nach dem Tod meiner Mutter letztes Jahr, als ich das ganze Unterlagen-Chaos ordnete. Vorher hatte ich gedacht, daß die beiden alles im Griff hätten (mein Vater war immerhin früher mal pingeliger Beamter in leitender Position).
Denkste... Genau die gleiche Sch... wie bei Dir.

Ich habe folgende Strategie entwickelt:

1. Post per Nachsendeauftrag an meine Adresse umgeleitet (erstmal für ein Jahr im voraus bezahlt, kostete so an die 15,- EUR).
2. Nachsendeantrag bei privaten Zustellern gestellt. (TNT hält sich dran, PIN ignoriert es trotz mehrmaliger Anmahning - Sauladen!)
3. Sonderrufnummern komplett gesperrt (Sicherheitspaket+ der Post, auch Service-Rufnummern und Auslandsvorwahlen habe ich gesperrt, damit nichts mehr bestellt werden kann!)
4.Call-Filter im Telefon installiert (gab es mal bei Conrad, wird aus verständlichen Gründen leider nicht mehr gebaut...). Anrufer muß nun PIN-Code eingeben, sonst ist besetzt :). Das bricht den ganzen Call-Centern und Friedrich Müller aus Wien das Genick!
4. Schild "Keine Werbung" am Briefkasten angebracht.
5. Regelmäßige Kontrollbesuche, denn Zeitungsbeilagen, Werbemüll und manch anderen Sch... kann man nicht 100%ig abfangen. Außerdem kann man den alten Menschen so regelmäßig neu "einnorden".
6. Zuspruch und Einbinden ins Familienleben sind das A und O! Wer beschäftigt ist, baut keine Sch...
7. Kontovollmacht erteilen lassen und Online-Banking eingerichtet. So kann man jederzeit auf das Konto kucken und unberechtigte Abbuchungen stornieren lassen.
8. ggf. EC-Karte einkassieren.
9. Alle nicht mehr auffindbaren Schecks sperren lassen 8und diese Sperre regelmäßig erneuern). Kostet zwar Geld, aber irgendwo auf der Welt ärgern sich jetzt die Drecksäcke, die die Schecks für die Bearbeitungsgebühr der Gewinnversprechen einlösen wollen :)
10. Augen und Ohren offen halten!
Alle diese Punkte gehen natürlich nur in Zusammenarbeit und mit Einverständnis des Betroffenen!

Ich denke mehr kann man nicht tun.
Anfänglich habe ich da pro Woche 10 bis 20 Stunden reingesteckt. Diverse alte Abos kündigen, Einsprüche einlegen, Mahnungen klären.
Jetzt nach fast einem Jahr ist Ruhe eingekehrt (dank den 10 Punkten) und mein Vater ist richtig glücklich und freut sich, jetzt wieder ein normales Leben ohne Terror-Anrufe und Abzocker zu haben.

Aber noch was wichtiges zum Thema "Entmündigung".
Man kann beim zuständigen Amtsgericht einen Antrag anfordern, womit der Senior seine geschäftsfähigkeit abgibt (wie das Ding genau genannt wird, ist mir entfallen). Damit wird dann ein naher Angehöriger als Betreuer und Verwalter eingesetzt.
Dann kann man jeden "angeblich" abgeschlossenen Vertrag mit dem Hinweis auf die nicht mehr vorhandene Geschäftsfähigkeit einfach für ungültig erklären (was er dann auch de jure tatsächlich ist).

Das hat allerdings einen RIESEN Nachteil.

Man muß in diesem Fall bei dem Antrag eine Vermögens- und Konto-Aufstellung mit einreichen und außerdem regelmäßig (ich glaube quartalsweise) eine Aktualisierung beim Amtsgericht einreichen.
Das soll verhindern, daß man den Senior übers Ohr haut und Gelder veruntreut.
Eigentlich eine prima Idee, nur habe ich in Zeiten von Terminator Schäuble, Überwachungsstaat und Enteignung von Vermögen durch Sozialbehörden da gehörig Bedenken. Was wenn mein Vater mal in Pflegeheim muß und der "Sozialstaat" sich dann an seinem (bereits mehrfach besteuertem) kleinen Vermögen schadlos halten will?
Was wird dann aus Geldgeschenken und Zuwendungen? Die würden dann ja alle beim Amtsgericht bekannt sein.
NEIN DANKE!
Daher haben wir beide davon Abstand genommen. Man muß es den Schröpfern ja nicht leichter machen, als nötig. :p

Ich hoffe, daß ich Dir etwas weiterhelfen konnte.
Gruß
Sierra1875

MARUE
27.07.2007, 16:07
Mal allgemein: Es gibt keine "Entmündigung" mehr - was gemeint ist, ist wohl das Betreuungsrecht. Auch hier gibt aber niemand (!) seine "Geschäftsfähigkeit" ab. Das ist ein weit verbreiteter Irrtum. Entweder jemand ist Geschäftsfähig - oder nicht.

siebich
27.07.2007, 18:54
Sehr wohl kann jemandem die Geschäftsfähigkeit abgesprochen werden - siehe auch hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Gesch%C3%A4ftsf%C3%A4higkeit.
Wenn Sie besseren Glaubens sind so editieren Sie bitte in Wikipedia.

Grüße
siebich

MARUE
27.07.2007, 21:24
Niemandem (!!!) kann die Geschäftsfähigkeit "abgesprochen" werden. Das ist und bleibt Unsinn und steht auch nicht in dem von Ihnen zitierten Artikel. Eine "Entmündigung" gibt es nicht mehr - eine Betreuung ist letztlich nichts anderes als eine Vertretung für den jeweiligen Bereich.
Natürlich kann mit dem Alter die Geschäftsfähigkeit wegen einer "krankhaften Störung der Geistestätigkeit" verloren gehen - das ist aber ein tatsächlicher - natürlicher Prozess, der nichts mit "Aberkennen" oder einem gerichtlichen Beschluss oder Urteil o.ä. zu tun hat.

VG
RA Rueppell

Goofy
27.07.2007, 22:52
Mit der Anordnung einer Betreuung seitens des Vormundschaftsgerichts kann sich durchaus eine Einschränkung der Geschäftsfähigkeit einstellen, nämlich wenn vom Vormundschaftsgericht ein Einwilligungsvorbehalt nach § 1903 BGB festgelegt wird. In diesem Fall bedarf eine Willenserklärung des Betreuten der Einwilligung des Betreuers.

Ein solcher Zusatz wird gar nicht so selten mit aufgenommen, nämlich immer dann, wenn die Zurechnungsfähigkeit des Betreuten ganz oder teilweise ungesichert ist. Natürlich kann niemandem die Geschäftsfähigkeit abgesprochen werden; sie kann aber erheblich eingeschränkt werden, z.B. wenn medizinische Gründe dafür sprechen.

MARUE
28.07.2007, 00:16
Der Einwilligungsvorbehalt ist natürlich eine Einschränkung (und das ist ja meistens auch gut so) - auch ist er in der Rechtsfolge ähnlich ausgestaltet wie die beschränkte Geschäftsfähigkeit der Minderjährigen (über 7 J.). Trotzdem handelt es sich juristisch nicht um eine beschränkte Geschäftsfähigkeit. Das ist ja gerade der Kunstgriff dieser Norm.
Wichtig war mir klarzustellen, dass es keine "Entmündigung" o.ä. mehr gibt.