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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Bundesnetzagentur kann Rufnummern präventiv abschalten



radan
28.04.2010, 09:37
Auf einen Beschluss des OVG Münster weist der Kollege Dr. Bahr hin:

http://www.online-und-recht.de/urteile/0900er-Nummern-koennen-bei-Gefahr-von-Rechtsverstoessen-abgeschaltet-werden-13-B-226-10-Oberverwaltungsgericht-Muenster-20100325.html

"Mit Telefoncomputern rief die Antragstellerin bei Telefonanschlussinhabern an und teilte ihnen über eine automatische Ansage mit, sie hätten einen Preis gewonnen. Um den Gewinn zu erhalten, sei eine kostenpflichtige Mehrwertdienstenummer anzurufen. Zahlreiche Verbraucher beschwerten sich hierüber bei der Bundesnetzagentur, weil sie solchen Telefonanrufen nicht zugestimmt hätten."
"Mit Rücksicht auf die praktizierte rechtswidrige Rufnummernnutzung durch die Antragstellerin durfte die Bundesnetzagentur die präventive Abschaltung der Nummern als erforderlich und angemessen ansehen."

Weissbrot
28.04.2010, 14:08
Hier liegt das vollständige und lesenswerte Originalurteil: http://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2010/13_B_226_10beschluss20100325.html


Bei der Gewinnbimmelfirma handelte es sich um die Company Management Services Unternehm.u.Verwaltgs. GmbH aus Krefeld. Die beiden Netzbetreiber der Firma waren die mcn AG und die DTMS GmbH. ;)

Der verantwortliche Geschäftsführer hat noch weitere Premiumnummern auf seinen eigenen Namen angemeldet: https://www.antispam-ev.de/forum/showthread.php?27306-2010-Sie-haben-gewonnen!&p=266625&viewfull=1#post266625

0900-3101910 (http://bo2005.regtp.de/prg/srvcno/srvcno900.asp?USessionID=0&sStartDS=1&sScriptID=59&ruf_nr=3101910)
0900-3101911 (http://bo2005.regtp.de/prg/srvcno/srvcno900.asp?USessionID=0&sStartDS=1&sScriptID=59&ruf_nr=3101911)
0900-3210205 (http://bo2005.regtp.de/prg/srvcno/srvcno900.asp?USessionID=0&sStartDS=1&sScriptID=59&ruf_nr=3210205)
0900-3220205 (http://bo2005.regtp.de/prg/srvcno/srvcno900.asp?USessionID=0&sStartDS=1&sScriptID=59&ruf_nr=3220205)
0900-3230205 (http://bo2005.regtp.de/prg/srvcno/srvcno900.asp?USessionID=0&sStartDS=1&sScriptID=59&ruf_nr=3230205)
0900-3240205 (http://bo2005.regtp.de/prg/srvcno/srvcno900.asp?USessionID=0&sStartDS=1&sScriptID=59&ruf_nr=3240205)
0900-3260205 (http://bo2005.regtp.de/prg/srvcno/srvcno900.asp?USessionID=0&sStartDS=1&sScriptID=59&ruf_nr=3260205)

Die anderen Gewinnbimmelfirmen aus seinem Bereich sind ebenfalls einschlägig bekannt:
Call Base GmbH
CCB Competence Center Bratislava s.r.o.
Euro EBS Marketing UG (haftungsbeschränkt)
Luck 4 U GmbH
Management Helpdesk UG (haftungsbeschränkt)
Net Telecom Ges. f. Kommunikationsdienstleistg. mbH

siebich
28.04.2010, 19:28
Wohlan liebe Bundesnetzagentur, aufauf zum munteren präventiven Abschalten...

gation
28.04.2010, 20:53
Bundesnetzagentur kann Rufnummern präventiv abschaltenIrre ich mich, oder besagt dieses Urteil gerade NICHT, dass die Bundesnetzagentur ERST JETZT berechtigt ist, Nummern präventiv zu sperren? Hätte ein OVG 2001 anders entschieden, wenn man damals schon so konsequent vorgegangen wäre? Ist es nicht vielmehr so, dass nun erkennbar wird, dass die Bundesnetzagentur jahrelang behauptet hat, man hätte die Möglichkeit präventiver Nummernabschaltungen nicht - obwohl sie diese Möglichkeit in Wahrheit nur nicht wahrnehmen WOLLTE?

Das mag eine für Verbraucher wichtige Entscheidung sein - für die Wattestäbchenarmee ist es doch eher ein Armutszeugnis.

Ich gebe zu, dass ich den Text erst noch lesen muß. Aber für mich ist das eher ein Grund, grenzenlos wütend auf die Wattestäbchentruppe zu sein.


"Mit Rücksicht auf die praktizierte rechtswidrige Rufnummernnutzung durch die Antragstellerin durfte die Bundesnetzagentur die präventive Abschaltung der Nummern als erforderlich und angemessen ansehen."
Also war eben die Bundesnetzagentur aus unerfindlichen Gründen jahrelang zu feige und hat der Öffentlichkeit vorgegaukelt (ich erinnere mich gut an diesen unsäglichen Wattestäbchenschwätzer R.B. ...) man könne nicht anders, als Firmen, denen man am Tag X 20 Nummern abschaltet wegen 0900-Gewinnanrufen am selben Tag neue Nummern zu geben.

Das war offenbar zumindest eine halbe Lüge.

Arthur
28.04.2010, 20:58
http://www.computerbetrug.de/nachrichten/newsdetails/gericht-0900-nummern-duerfen-auch-vorsorglich-gesperrt-werden-100428/

Die Entscheidung hat durchaus Tragweite. Der Bundesnetzagentur wurde in den vergangenen Jahren immer wieder vorgeworfen, gegen 0900-Abzocker zu zögerlich vorzugehen und Unternehmen, die immer wieder negativ in der Branche auffallen, gewähren zu lassen. Mit dem Beschluss aus Münster als Rückendeckung sollten es die Regulierer jetzt eigentlich leichter haben, auffällige Firmen auszubremsen.
Die Unschuldsvermutung zählt also nicht mehr in Zukunft, wenn wieder mit Watte "gesteinigt" wird...

Jogy4711
28.04.2010, 21:01
Aber für mich ist das eher ein Grund, grenzenlos wütend auf die Wattestäbchentruppe zu sein.

Vieleicht ändert sich nun doch endlich mal was bei denen
und sie schalten öfters alle Nummern des Betreibers ab.

Die Hoffnung stirbt zuletzt

gation
28.04.2010, 21:44
Mir hat es eben einen Nachtrag zerhaut, aber mein Ärger ist groß genug, dass ich das alles gerne noch einmal tippe :)

Zunächst einmal diese Passage, aus der deutlich wird, wie bedrohlich die wattestäbchenschwingende Behörde doch ist:
Ferner forderte die Bundesnetzagentur die Verbindungsnetzbetreiber mit Ziff. 2 auf, bis zum 3. Dezember 2009 die Abschaltung mitzuteilen. Mit Ziff. 3 untersagte sie die Portierung der Rufnummern zu einem anderen Netzbetreiber zum Zwecke der Schaltung für den bisherigen Zuteilungsnehmer. Für den Fall des Verstoßes gegen die Anordnungen drohte sie ein Zwangsgeld i. H. v. 1.000,-- Euro an.1000 Euro. 1000 Euro!!! Ist das mehr oder weniger als eine Flasche Schampus beim Puffbesuch am Rande der Mallorcasause?

Was mich aber wirklich fast rasend macht, ist folgende Passage aus dem OVG-Entscheid:

Die Befugnisnorm des § 67 Abs. 1 Satz 5 TKG, wonach die Bundesnetzagentur im Falle der gesicherten Kenntnis von der rechtswidrigen Nutzung einer Rufnummer gegenüber dem Netzbetreiber, in dessen Netz die Nummer geschaltet ist, die Abschaltung der Rufnummer anordnen soll, sperrt entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht die Anwendung des § 67 Abs. 1 Satz 1 TKG. § 67 Abs. 1 Satz 1 TKG regelt auch den Fall der präventiven Rufnummernabschaltung, d. h. wenn mit den abzuschaltenden Rufnummern ein Verstoß bei der Nummernnutzung noch nicht erfolgt, eine ordnungsrechtliche Störung also noch nicht eingetreten ist, die gegenwärtige Gefahr der Entstehung einer solchen Störung aber besteht.Damit folgt das OVG exakt meiner Rechtsauffassung (lach), wonach der §67 Abs. 1 Satz 1 wesentlich mehr Möglichkeiten einräumt, als die Wattestäbchenarmee ausgenützt hätte.

Noch deutlicher wird das bereits hier:
Rechtsgrundlage für die "präventive" Abschaltung der Rufnummern ist § 67 Abs. 1 Satz 1 TKG. Anders formuliert: Präventive Abschaltungen waren sehr wohl möglich, in diesem Punkt hat die Behörde öffentlich die Unwahrheit gesagt oder zumindest "wahre Tatsachen entstellt". Unvergessen die Auftritte des Oberwattestäbchens und seines Oberwattetstäbchenspressesprechers R.B. in diversen TV-Beiträgen! "Wir täten ja gerne, aber wir können leider nicht". FALSCH, Matthias Kurth - ihre Behörde hätte sehr wohl gekonnt, sie HAT aber nicht GEWOLLT und das brachte Betrügern und ihren Helfershelfern eine Menge Geld und Millionen Betroffenen mindestens Belästigungen, oft aber erhebliche finanzielle Schäden!


Nach dieser Bestimmung kann die Bundesnetzagentur im Rahmen der Nummernverwaltung Anordnungen und andere geeignete Maßnahmen treffen, um die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften und der von ihr erteilten Bedingungen über die Zuteilung von Nummern sicherzustellen. Mit dieser Generalermächtigung [sic!!!!!] will der Gesetzgeber erreichen, dass die rechtswidrige Nutzung der Nummern außerhalb der in § 67 Abs. 1 Satz 4 bis 7 TKG speziell geregelten Sanktionen ziel- und zweckgerichtet geregelt werden kann.
Demnach fallen die von der Antragstellerin getätigten Werbeanrufe in den Bereich der Nummernverwaltung. [sic! Und da hat die Bundesnetzagentur eben quasi eine "Generalermächtigung", hat diese aber zum Schaden der Betroffenen und zum Nutzen von Betrügern nicht ausgeschöpft - Damit trifft sie vollends der Vorwurf, "strukturelle Mitstörerin" zu sein!]

Die Maßnahmen der Bundesnetzagentur erfolgten, um die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften sicherzustellen. Der weite Wortlaut von § 67 Abs. 1 Satz 1 TKG ist Ausdruck des gesetzgeberischen Willens, jegliche Verstöße bei der Nummernnutzung, insbesondere mit Blick auf Verbraucher- und Kundenschutzbelange zu verfolgen.
Gegen diesen "gesetzgeberischen Willen" hat die Bundesnetzagentur jahrelang verstoßen und wenn der Chef dieser Behörde Eier in der Hose hat, sollte er die Konsequenzen ziehen. Gerade weil für ihn als ehemaligen Manager eines von der mangelhaften Regulierung direkt profitierenden Unternehmens durchaus Verdachtsmomente entstehen könnten, die ein äußerst unangenehmes "Gschmäckle" haben...