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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Werbeanrufe von gemeinnützigen Vereinen



Tomppa
01.12.2010, 20:02
Hallo allerseits! Lange nicht mehr hier gewesen, da es bei mir im Spamfront recht ruhig war.

Nun erhielt ich einen Werbeanruf für einen gemeinnützigen Verein. Der Anruf wurde allerdings von einem GmbH durchgeführt, die sicher nicht als "gemeinnützig" gilt.

Ist hier jemandem ein klares Urteil bekannt, das Werbeanrufe ausdrücklich auch dann verbietet, wenn ein gemeinnütziger Zweck dahintersteckt?

Arthur
01.12.2010, 20:04
Gemeinützigkeit ist ein rein steuerrechtlicher Aspekt und bedeutet ansonsten keinerlei Sonderrechte.


Wenn eine Organisation als gemeinnützig anerkannt worden ist, wird sie von den Steuern ganz oder teilweise befreit.

Tomppa
01.12.2010, 21:01
Sonderrechte gibt es durchaus, so sind gemeinnützige Organisationen von UWG nicht betroffen. Daher meine Frage: sind Cold-Calls für (Spenden-) Werbung von gemeinnützigen Organisationen zulässig oder nicht? Wenn ja, unter welchen Bedingungen?

Folgendes habe ich schon gefunden: http://www.dfrv.de/index.php?id=329

Liquid-Sky-Net
01.12.2010, 21:26
Ich würde sagen es macht keinen Unterschied. Unerwünsche Anrufe, sind unerwünschte Anrufe. Egal ob mir jemand ein Abo andrehen will, oder um eine Spende bettelt. Eine Gemeinnützigkeit schützt vor Strafe nicht. Schon gar nicht, wenn eine GmbH anruft, und die eine gemeinnützige Organisation vorschieben.


Im Übrigen: Da geb ich persönlich lieber der Frau, die hier Pfandflaschen einsammelt oder dem Bettler, der jeden zweiten Tag am HBF steht mal "nen Groschen". Das Geld ist dort definitiv besser angelegt. Ich helfe da lieber aktiv Leuten "aus meinem Umfeld", denen es sichtlich schlechter geht, als bei einer gemeinnützigen Organisation, die zuviel Geld hat um mit den Spenden Call-Center zu bezahlen.

Tomppa
01.12.2010, 21:51
Deckt voll und ganz mit meiner persönlichen Meinung ab. Aber die Rechtsprechung scheint leider anders zu sein. Mein Anwalt rät in diesem Fall von einer Abmahnung ab. In Deutschland gibt es über 250.000 gemeinnützige Vereine, zum Teil recht dubiose solche. Denn die Kontrolle der Aktivitäten solcher Vereine ist doch recht flapsig. Haben diese 250.000 Vereine nun einen Freibrief für Cold-Calls oder nicht?

Ich brauche klare Fakten, will schließlich keine UE veranlassen, die nach hinten losgeht.

Mittwoch
01.12.2010, 22:49
Deckt voll und ganz mit meiner persönlichen Meinung ab. Aber die Rechtsprechung scheint leider anders zu sein. Mein Anwalt rät in diesem Fall von einer Abmahnung ab.
Dann würde ich an Deiner Stelle mal den Anwalt fragen, welche Rechtsprechung er denn als Grundlage seines Abratens anführen kann. Mir sind - IANAL - keine Urteile bekannt, in denen gemeinnützige juristische Personen Prozesse wegen ColdCalls aufgrund ihrer Gemeinnützigkeit gewonnen hätten.



Haben diese 250.000 Vereine nun einen Freibrief für Cold-Calls oder nicht?

Meiner Meinung nach nicht. Ich kenne jedenfalls keine gesetzlichen Regelungen rund um ColdCalls, in denen von Gemeinnützigkeit die Rede wäre.



Ich brauche klare Fakten, will schließlich keine UE veranlassen, die nach hinten losgeht.
Mit Verlaub: Wofür bezahlst Du eigentlich Deinen Anwalt? Rechtsberatung dürfen wir hier nicht leisten.

Schönen Gruß
Mittwoch

radan
02.12.2010, 10:36
Sofern es sich um Werbung handelt, ist - wenn die Frage zu klären ist, ob ein Eigriff in das allgemeine Persönlichkeitsrechts vorliegt - zunächst § 7 Abs. 2 UWG lückenfüllend heranzuziehen.

Wenn der Angerufene Verbraucher ist, setzt § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG dessen vorherige ausdrückliche Einwilligung voraus. Lag die nicht vor, stellt der Anruf eine unzumutbare Belästigung dar und verleiht einen Unterlassungsanspruch. Es ist kein Raum für Ausnahmen zugunsten "gemeinnütziger" Anrufer.

Anders uU bei Anrufen bei "sonstigen Marktteilnehmern", vulgo: Gewerbetreibenden. Dort reicht als Rechtsfertigung eines Eingriffs in das Recht am Unternehmen eine lediglich mutmaßliche Einwilligung - d.h.: Darf der Anrufer damit rechnen, dass der Angerufene der Werbung aufgeschlossen gegenübersteht?
Nach der (umstrittenen) Entscheidung des BGH "Blindenwaren" (GRUR 2001, 1181) kann solche Werbung zulässig sein, wenn die Angerufenen aus sozialpolitischen Gründen einer Telefonwerbung für bestimmte Waren aufgeschlossener gegenüberstehen als sonstiger Werbung und sich sogar eine entspr Branchenüblichkeit herausgebildet hat.

Ob das auf den konkreten Sachverhalt zutrifft: Fallfrage. Nicht jeder "gemeinnützige" Zweck berechtigt zu Werbeanrufen.

Tomppa
02.12.2010, 19:25
Danke Radan!

Die Urteilsbegründung hat mir nun auch der RA zukommen lassen:


BGH Urteil vom 25.01.2001
„Hiervon ausgehend hat das Berufungsgericht die Unlauterkeit der beanstandeten Telefonwerbung verneint, weil sie dem anerkennenswerten sozialen Zweck des Absatzes von Blindenwaren diene und die unaufgeforderte telefonische Bewerbung dieser Waren gegenüber Gewerbetreibenden in Deutschland seit Jahrzehnten branchenüblich sei, so daß sich eine entsprechende Verkehrsauffassung gebildet habe, zumal die in Handarbeit hergestellten Blindenwaren anderenfalls nicht mit industriell gefertigten Produkten konkurrieren könnten. Ferner hat es darauf abgestellt, daß die wirtschaftliche Bedeutung des Vertriebs von Blindenwaren relativ gering sei, so daß ein belästigendes Umsichgreifen dieser Werbe- und Vertriebsform im Bereich der gewöhnlichen geschäftlichen Werbung nicht zu befürchten sei. Schließlich hat das Berufungsgericht bei der von ihm vorgenommenen Interessenabwägung berücksichtigt, daß der Verkehr die telefonische Werbung für Blindenwaren bereitwilliger entgegennehme als sonstige Werbung.“

Arthur
02.12.2010, 19:27
Nun erhielt ich einen Werbeanruf für einen gemeinnützigen Verein.
Und wofür wollten die werben?

Liquid-Sky-Net
02.12.2010, 19:49
Das ist es ja Arthur. Die wollen werben - im Namen Dritter - für eine Spende.

Findet jemand das Urteil / die Akte? Es mag schon sein, dass das Gericht da anders entschieden hat. Ich gehe aber einmal davon aus, dass da eine Organisation DIREKT nachgefragt hat. *VERMUTUNG*


Nun erhielt ich einen Werbeanruf für einen gemeinnützigen Verein. Der Anruf wurde allerdings von einem GmbH durchgeführt, die sicher nicht als "gemeinnützig" gilt.

Hier hat eine FIRMA angerufen, die um Spenden für Dritte gebettelt hat. Die Call-Center erhalten dafür Geld - also eine Leistung. Der gemeinnützigen Verein würde mich da gar nicht interessieren. Hau der GmbH auf die Finger!

Ich persönlich würde bei dem gemeinnützigen Verein anfragen, wer für diese Werbeanrufe zuständig ist! Evtl. wissen die gar nichts davon.


[ironie&persönlich] Du hast nen Klasse Anwalt! [/ironie&persönlich]

Arthur
02.12.2010, 20:06
Die wollen werben - im Namen Dritter - für eine Spende.
Trotzdem die Frage: Wenn es für denn für den höchstrichterlich genehmigten Sonderfall Werbung
für Blindenware ginge, könnte man noch immer darüber spekulieren, ob die "Weitervermittlung"
geduldet wäre.
Wenn es aber eine 08/15 gemeinnützige Organisation ist, würde ich es generell als unzulässig sehen.