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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Spam vs. seriöse Briefwerbung



Mika
27.07.2003, 18:57
Hallo,
in den letzten Jahren begann ein Prozess, der allgemein als "Cocooning" bezeichnet wird. Die offene, lockere, aktive und positive Lebenseinstellung der 80er wandelt sich zunehmend in eine verschlossene, pessimistische Lebenshaltung, in der man sich immer mehr von der Außenwelt abkapselt - ähnlich in der Zeit des Biedermeier, in der man sich nur noch auf das häusliche Umfeld konzentrierte. Wogegen in den 80ern es durchaus üblich war, das noch sehr viele Gegenstände von Vertretern verkauft wurden - was ja vor allem in ländlichen Gegenden, in denen es für vieles kein Fachgeschäft gab geschätzt wurde hat das sehr stark nachgelassen. Statt dessen begann man in den 90ern verstärkt den Weg des Dialogmarketings zu wählen, was den Vorteil hat, daß kein Vertreter vor der Tür steht, den man erst einmal abwimmeln muß, sondern die Möglichkeit erhält auf einen Werbebrief zu reagieren - oder ihn bei Desinteresse einfach wegwirft. Das ist sogar umweltfreundlicher als einen Mitarbeiter mit dem Auto die Ortschaften in der Umgebung abklappern zu lassen, und nur noch die Leute besuchen, die Interesse haben und z. B. eine Antwortkarte zurückschicken. Bei der Emailwerbung ist es sogar noch praktischer, da ja kein Papier mehr bedruckt und verschickt werden muß.
Ich selbst lebe davon, daß ich regelmäßig Briefwerbung verschicke. Leider verlangt der Betreiber der Robinsonliste horrende Geldbeträge, um die Adressbestände um die Leute bereinigen zu können, die keine Briefwerbung erhalten möchten, also ist dieser Weg nicht akzeptabel. Auf ca. 100 Werbebriefe erhalte ich 8 bis 10 Antworten mit positiven Intersse - und lediglich einer von 5000 angeschriebenen schickt das Schreiben zurück und möchte keine Werbung mehr bekommen. Diese lösche ich dann auch sofort aus der Sammlung. Inzwischen habe ich seit meiner Firmengründung einen Kunden und Interessentenstamm aufgebaut, so daß ich begonnen habe all diejenigen, für die mein Angebot nicht relevant ist zu streichen, z. B. durch Altersklassierung mittels Vornamenanalyse oder aufgrund der durch die Antwortkarten erhobenen Angaben. Somit schreibe ich automatisch im Laufe der Zeit immer weniger Leute an, für die mein Angebot uninteressant ist. Das senkt ja auch die Portokosten und erhöht die Antwortquote. Wenn der Kundenstamm groß genug ist, daß ich davon alleine leben kann, werden nur noch die Kunden sowie Interessenten angeschrieben.
Alles in allem muß ich sagen, daß ich ohne Werbebriefaktionen nicht soweit wäre wie heute - und davon hängen in meiner Firma insgesamt 5 Arbeitsplätze (2 Vollzeit und 3 Teilzeit) sowie einige Schülerjobs ab. Solange soviel damit verdient wird, daß die Leute davon bezahlt werden können werde ich alles tun, um diese Arbeitsplätze zu erhalten.
Leider gibt es auch genug Leute, die nicht nur auf eine ehrliche und aufrichtige Art ihre Dienste oder Produkte per Briefwerbung, Wurfsendungen oder Email anbieten - sondern auch solche, die in betrügerischer Absicht sogenannte "Offert-Rechnungen" versenden (also als Rechnung getarnte Offerten und Angebote) oder Emails für irgendwelche Sexseiten und Dialer verschicken. Und ich denke, daß man dazwischen differenzieren muß und nicht alles über einen Kamm scheren darf.
Schließlich muß man bedenken, daß kleine und mittelständische Firmen sich keine teure Fernseh- oder Radiowerbung oder Anzeigen in Zeitschriften leisten können. Ich habe mit 50 Briefen in der Woche begonnen, die ich am Anfang einzeln nachtelefoniert habe. Inzwischen versende ich pro Woche ca. 1000 bis 2000 Briefe, die zum Teil von Telefonistinnen nachgearbeitet werden. Fernsehwerbung ist weiterhin unerschwinglich - und auch nicht beabsichtigt, da ich nur dort Kunden besuchen möchte, wo ich wegen der Spritkosten nicht weit mit dem Auto hinfahren muß - oder am besten die Interessenten zu mir ins Büro kommen lasse.
Gerade in der heutigen Zeit, wo das Wirtschaftsleben von Arbeitslosigkeit und Rezession geprägt ist muß man verstärkt werben, um sein Kundenpotential zu erweitern. Wenn ich meine "Werbeabteilung" schließen würde, dann müßten die Steuerzahler für 2 zusätzliche Arbeislose und 3 weitere Sozialhilfeempfänger aufkommen - würden alle Firmen ihre Werbeabteilungen schließen, gäbe es in Deutschland einige zehntausend Arbeitslose mehr - und mindestens nochmal so viele in der Fertigung und Verwaltung, da ja ohne die Werbung weniger Produkte verkauft werden. Durch das damit sinkende Steueraufkommen müßten früher oder später auch einige Beamten dran glauben - oder weitere Kürzungen hinnehmen müssen.
Fazit: Ich unterstütze es auf jeden Fall unseriöse Werbung zu bekämpfen, andereseits sollte man jedoch Werbung nicht prinzipiell verteufeln. Einiges habe ich selbst nur durch Werbebriefe erfahren - z. B. das Angebot über den PC mit dem ich gerade diese Email schreibe. Ohne den Werbebrief hätte ich nie einen so günstigen PC bekommen - und ohne Dialogmarketing wäre aus diesem PC-Hersteller nicht einer der größten der Welt geworden - von dem heute manch einer, von der Putzfrau bis hin zum Ingenieur und Manager sein Einkommen bezieht. Selbst Käufer von Luxuslimousinen, Industriemaschinen usw. werden zu einem großen Teil per Brief- und Emailwerbung gewonnen, von deren Verkauf eine Vielzahl an KFZ-Mechanikern, Monteuren, Konstrukteuren und Ingenieuren leben.
Viele Grüße
Mika

Archmage
27.07.2003, 20:13
Nur eine kurze Antwort:
Spam und Briefwerbung kann man nicht vergleichen, da bei Briefwerbung der Absender das Porto bezahlt und nicht der Empfänger und ausserdem kann man dafür sorgen, dass man keine Briefwerbung bekommt. (Wenn jemand verlangt, dass du ihn von der Liste nimmst, dann musst du dich daran halten, weil sonst eine Klage droht.)
Ich bekomme dank Aufkleber auf dem Briefkasten und Vorgehen gegen jeden, der mir an mich persönlich adressierte Werbung schickt (Adresse durchstreichen und "Werbung unerwünscht, Porto zahlt Empfänger" draufschreiben) kriege ich im Monat 1 Briefwerbung aber dem gegenüber mehrere tausend Spammails. Du kannst dir denken, was ich lästiger finde. http://img.homepagemodules.de/wink.gif

Manfred
28.07.2003, 02:22
Mika,
erlaube mir vorerst, daß wir uns "Du`zen"...http://img.homepagemodules.de/wink.gif
In sehr vielen Punkten stimme ich vollkommen mit Deinen Äusserungen überein. Ich habe auch ein selbstständiges Business mit Software, die ich selbst entwickle und aussschliesslich über`s Internet vertreibe. Eventuell entstehen in nächster Zeit auch Jobs damit, nur höchtswahrscheinlich nicht in Deutschland, weil hier die Politik und die davon erzeugten Rahmenbedingungen mich dazu zwingen, den weiteren Verlauf und Ausbau meiner Geschäfte im Ausland weiterzuführen. But that`s another Story.
Schau Mika, niemand hier "verteufelt" Werbung generell. Es ist die Menge die`s mittlerweile ausmacht. Das Internet hat eine Masse zusammengebracht, die, wenn sie Werbung betreibt, nicht mehr verkraftbar ist. Sicher, Du meinst auch, daß wenn jemand Deine Werbung nicht mag, er diese einfach löschen kann. Das ist aber rein Deine Sicht als einzelner Absender von Werbung. Wärst Du der einzige der Werbung verschickt, würde sich kaum jemand daran stören, einmal im Monat per Email ein Angebot von Dir zu erhalten.
Die Spam-Problematik hat jedoch ganz andere Dimensionen erreicht. Wir beschweren uns hier nicht über 2-5 Emails pro Woche, wir sind hier Opfer von 50-350 Email PRO TAG!! Stell` Dir vor, Dein Brefkasten ist jeden Tag mit 50-350 Werbebriefen und Prospekten vollgestopft. Warum das nicht so ist? Briefpost kostet den Absender `was. Da heisst, der Werbetreibende muß sich genau überlegen, wen er anschreibt um die Kosten so gering wie möglich zu halten. Das Internet funktioniert anders, Mika. Es macht für den Absender fast keinen Unterschied, ob er 50.000 oder 5 Millionen Werbe-Emails losschickt. Den Großteil der Kosten trägt ohnehin der Empfänger der Emails, in Form von Verbindungszeit, Datenmenge, Speicherplatz auf Posteingang und PC sowie die Zeit, sich mit dem Schrott auch noch befassen zu müssen.
Sicher, Du bist überzeugt, daß Deine Email pro Monat kein Problem darstellt. Aber bedenke, daß 100.000 andere Werber das gleiche denken, das bedeutet für die Empfänger 100.000 Werbe-Emails im Monat, oder ca. 3225 im Tag... wärst Du damit glücklich?
Manfred

--
...und dann ging den Spammern das Publikum aus:
http://spambunker.buddyshare.org/

Mika
30.07.2003, 09:46
Hallo Manfred,
das ist vollkommen richtig. Das einzige, das ich selbst ungefragt verschicke sind Werbebriefe mit der Post. Werbung oder Newsletter per Email verschicke ich grundsätzlich nur an Leute, die sich von selbst in den Verteiler eintragen, eine Bestätigungsmail erhalten und dort wiederum einen Link betätigen, der bestätigt, daß sich die Leute auch selbst eingetragen haben. Die meisten Firmen, von denen ich ungefragt Emailwerbung erhalte schicken vielleicht alle viertel oder halbe Jahre etwas, was noch erträglich ist.
Was natürlich in der letzten Zeit überhand nimmt sind die Werbemails für Webseiten mit "schlüpfrigen" Inhalten oder mit dem Inhalt "Es wurde eine Botschaft hinterlegt" usw. Da erhalte ich täglich ca. 10 bis 15 Stück davon. Da ich die Autoansicht bei OE ausgeschaltet habe kann ich diese sofort ungeöffnet löschen und eventuelle Virenanhänge haben so keine Chance. Was ich sagen wollte ist, daß man beides nicht in einen Topf wirft, was leider oft genug getan wird.
Was die andere Geschichte angeht: Ich persönlich folge den Erfahrungen von Herrn Ford, eine davon lautet: "Deine Mitarbeiter müssen so viel verdienen, daß sie das was sie bauen sich auch selbst leisten können." Spätestens wenn der letzte Selbständige im Ausland produziert gibt es in Deutschland niemanden mehr, der die angebotenen Güter oder Dienstleistungen kaufen kann. Und die Mitarbeiter im Ausland, die man für Billiglöhne beschäftigt könnens meistens auch nicht kaufen. Kurzfristig funktioniert das ganz gut, aber man sieht schon recht deutlich z. B. an der hohen Arbeitslosenzahl, daß das Gewerbe Deutschland auf diese Art völlig auslaugt. Von den zahlungskräftigen Konsumenten die wir unserem System zu verdanken haben (selbst Sozialhilfeempfänger kaufen sich PCs und nutzen das Internet) profitieren wollen, aber zugleich das System in Billiglohnländern unterwandern, das kanns nicht sein.
Könntest Du von der Kaufkraft Deiner ausländischen Arbeitnehmer so leben wie hier? Wenn Ja, dann würde ich auch sofort die Koffer packen, sollte die Antwort nein sein, dann wird offensichtlich, daß das der falsche Weg ist.