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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Prozess verloren – „Keine Werbung in Plastiktüten“



Werbehasser
18.08.2011, 13:09
Prozess verloren – Deutsche Post muss Aufkleber respektieren
Kassel. Die Briefträger der Deutschen Post müssen den Aufkleber „Keine Werbung in Plastiktüten“ respektieren und dürfen keine eingeschweißte Werbung einwerfen. Das hat die 12. Zivilkammer des Landgerichts Kassel geurteilt.
...


extratip.de v. 17.08.2011 (http://extratip.de/2011/08/17/prozess-verloren-deutsche-post-muss-aufkleber-respektieren/)


War dieses hier bei AS schon bekannt?

Mittwoch
18.08.2011, 13:38
War dieses hier bei AS schon bekannt?
Mir nicht. Ich halte das Urteil aber auch nicht für grundsätzlich, denn ein Hinweis "Keine Werbung" auf dem Briefkasten muss auch von der Deutschen Post beachtet werden. Insofern wäre der Zusatz "in Plastiktüten" überflüssig, im zitierten Urteil hätte man also überhaupt nicht auf dieses Detail eingehen müssen.

Die in Plastik eingeschweißten Werke der Post enthalten zwar auch eine "Zeitschrift" für das TV-Programm der kommenden Woche, aber dieser Trick reicht nicht aus, um das Ganze nicht als Werbung zu deklarieren. Hier greift nämlich die Anzeigenfinanzierung, die Progammzusammenstellung ist gleichzusetzen mit Anzeigenblättern, die ja auch kostenlos und ungefragt zugestellt werden. Und für letztere gibt es diverse Urteile, nach denen sich ein Hinweis "Keine Werbung" auch auf Anzeigenblätter erstreckt.

Schönen Gruß
Mittwoch

P.S.: Für alle Leidtragenden: Mein Nachbar hat die Deutsche Post AG auf Unterlassung verklagt und gewonnen. Seit dem wird unsere gesamte Mietskaserne nicht mehr beglückt.

Solli
18.08.2011, 14:06
Moment, also mein Wissensstand ist dass "Bitte keine Werbung" kostenlose Zeitungen nicht mit einschließt. Erst wenn zusätzlich "...und keine kostenlosen Zeitungen" mit drauf steht dürfen auch diese nicht mehr eingeworfen werden. Gibt es hier neuere Urteile, die etwas anderes sagen?

Mittwoch
18.08.2011, 16:21
Hmmm, wie ich gerade lese, müsste da tatsächlich "keine Zeitungen" stehen, damit man die Anzeigenblätter nicht bekommt. Auf meinem im Baumarkt erworbenen Aufkleber steht das mit drauf, deswegen habe ich mir nicht allzu viele Gedanken darum gemacht.

Tja, dann ist das Urteil wohl doch richtungweisend in dem Sinne, dass die zusammengestellten Werbeprospekte, die der gelbe Riese verteilt, gleichzusetzen sind mit "normaler" Werbung. Was anderes hätte mich aber auch gewundert, denn der relative redaktionelle Anteil ist bei den Postsendungen allerhöchstens im einstelligen Prozentbereich anzusiedeln. Anzeigenblätter dürften mindestens zweistellige Prozentzahlen aufweisen.

Schönen Gruß
Mittwoch

Schnabelland
22.08.2011, 13:49
Am Besten geht man der ganzen Diskussion aus dem Weg, indem man statt einer "Negativliste" (KEINE Werbung! KEINE Zeitungen! KEINE Werbung in Plastiktüten! - und wer weiß, was die sich dann wieder neu einfallen lassen...) einfach eine "Positivliste" an den Briefkasten hängt: "NUR FÜR persönlich adressierte Sendungen". Die Zettelspammer sind allesamt zu dumm (und auch zu faul), da extra die Adresse draufzuschreiben, um ihre Werbung "legal" zu machen. Natürlich schadet es gar nichts, das "Nur für persönlich adressierte Sendungen" in einer zweiten Zeile zusätzlich noch mit dem bekannten "(insbesondere) keine Werbung einwerfen!" zu konkretisieren, damit's auch der letzte Zettelspammer merkt...

Ich war die ewigen Diskussionen mit dem Pizzaservice ("Das ist keine Werbung, das ist eine Speisekarte!") oder den Umzugs-Gangstern ("Das ist keine Werbung, sondern eine Information!") leID: [ID filtered]

Werbehasser
06.08.2012, 11:41
OLG Frankfurt hat dann am 09.12.2011 Az. 25 U 106/11 die Entscheidung der Vorinstanz LG Kassel 12. Zivilkammer Az. 12 O 4088/11 v. 10.06.2011 VOLLSTÄNDIG wieder aufgehoben.

aus dejure (http://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Text=25%20U%20106/11)


Das LG Lüneburg (Urt. v. 30.9.2011 – 4 S 44/11, hier im Volltext) hat eine Entscheidung gefällt, die möglicherweise im Examen laufen könnte, vor allem aber jeden Privathaushalt in Deutschland betrifft. Danach greift ein Unternehmen rechtswidrig in das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) des Empfängers von Werbesendungen ein, wenn dieser die Werbung nicht zu empfangen wünscht. Dabei ist der Empfänger nach Ansicht der Kammer nicht verpflichtet, einen “Keine Werbung”-Aufkleber an seinem Briefkasten anzubringen. Dem Empfänger stehe – insoweit ist das Urteil examensrelevant – ein Unterlassungsanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 1004 BGB analog sowie wegen einer Verletzung des Eigentums bzw. des Besitzes am Briefkasten aus den §§ 903, 862 BGB zu.
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aus juraexamen (http://www.juraexamen.info/lg-luneburg-zusenden-von-werbung-rechtswidrig/)

Goofy
06.08.2012, 13:07
Man müsste mal den Volltext sehen. Es wurde durch das Kurzzitat wohl wesentliche Dinge ausgelassen. Es muss hier eine eindeutige Willenserklärung des Empfängers gegenüber dem werbenden Unternehmen gegeben haben. Womöglich im Schriftverkehr mit dem Unternehmen, aber das geht aus dem Kurzzitat nicht hervor. Das Urteil darf aber wohl nicht so verstanden werden, dass der Werbeeinwurf auch ohne Aufkleber "keine Werbung" und auch ohne jeden anders gearteten Widerspruch von vornherein unzulässig sei.

Arthur
06.08.2012, 13:32
Man müsste mal den Volltext sehen.
http://www.lareda.hessenrecht.hessen.de/jportal/portal/t/s15/page/bslaredaprod.psml?&doc.id=KORE563912012%3Ajuris-r01&showdoccase=1&doc.part=L

kehwo
09.08.2012, 02:07
@Werbehasser: Du bringst da zwei verschiedene Verfahren durcheinander. Das hier diskutierte Verfahren hat nichts mit dem des LG Lüneburg zu tun.

Zur Sache:
Aus der Entscheidung des OLG zeigt sich ja anschaulich, dass es hier gerade nicht darum ging, ob ein Verbraucher einen Einwurf bei Missachtung eines besonderen Aufklebers ("ohne Folie") abwehren kann, sondern ob ein Konkurrent den anderen bei Missachtung (der von ihm an Verbraucher verteilten) Aufkleber auf Unterlassung in Anspruch nehmen kann. Nur das hat das OLG wegen Rechtsmissbräuchlichkeit hier abgelehnt.