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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Vertragsschluß durch Postident-Special-Verfahren - Aufgepasst!



Goofy
31.10.2011, 13:18
http://www.vzsh.de/Verwirrspiel-mit-dem-Postident-Spezial-Verfahren-1


Einige Anbieter nutzen das Verfahren, um schnell und kostengünstig zu einem Vertragsabschluss zu kommen.
Der Verbraucher erhält zunächst einen Werbeanruf, in welchem ihm z. B. günstige Telefontarife und zusätzlich ein neuwertiges schnurloses Telefon angeboten werden. Gerade ältere Menschen werden von sehr wortgewandten Verkäufern überrumpelt und stimmen der Zusendung zu. Kurz darauf bringt die Post dem Verbraucher das besagte Telefon und legt ihm einen Vertrag zur Unterschrift vor.

Gerade ältere Menschen werden wohl regelmäßig auch von der Postzustellung überrumpelt. Sie überblicken nicht, dass sie gegenüber dem Postboten keineswegs nur eine Empfangsbestätigung unterzeichnen, sondern vielmehr ein Vertragsformular.

Trotzdem unterliegt dieses Verfahren den Fernabsatzregeln des BGB. Der Anbieter müsste daher gleichzeitig mit der Zustellung auch wirksam schriftlich über das Widerrufsrecht belehren. Diese Verpflichtung ist höchstrichterlich geklärt.
BGH, Urteil vom 21.10.2004 - III ZR 380/03 (Fernabsatzgeschäft, Postident und Einschaltung eines Boten)
(Quelle: http://www.beckmannundnorda.de/bghbote.html)

Die Widerrufsfrist beträgt hierbei 14 Tage ab Zustellung, weil in diesen Fällen der Vertragsschluss nicht schon mit dem Werbegespräch, sondern erst unmittelbar bei der Zustellung zustande kommt. Sofern jedoch keine Widerrufsbelehrung ausgehändigt wurde, beginnt auch die Widerrufsfrist nicht zu laufen, und es besteht eine zeitlich unbegrenzte Möglichkeit zum Vertragswiderruf.

Der Widerruf sollte schriftlich mit beweisbarer Zustellung erklärt werden (Einschreiben mit Rückschein sowie Rücksendung der Ware mit Empfangsbestätigung). Falls eine Widerrufsbelehrung ausgehändigt wurde und die 14-Tages-Frist verstrichen ist, sollten bei ungewollt unterschriebenen Verträgen alle Unterlagen durch einen Anwalt oder die Verbraucherberatung geprüft werden. Oft ist trotz Verstreichens der Frist eine Anfechtung des Vertrags wegen arglistiger Täuschung/Irrtums oder bestimmter Formmängel möglich, jedoch ist hierzu eine Prüfung des Einzelfalls und der Unterlagen nötig.

Nebelwolf †
25.08.2013, 12:04
Hallo zusammen,

hier ist ein Urteil, aus dem hervorgeht, daß ein Anbieter den Kunden im Vorfeld aufklären muß, daß seine Unterschrift gegenüber dem Postboten mit einen Vertragsabschluß verknüpft ist und nicht wie sonst üblich nur die Annahme der Sendung bestätigt.

Dr. Bahr: Kammergericht Berlin, Urteil v. 21.10.2011 - Az.: 5 U 93/11 (http://www.online-und-recht.de/urteile/Informationspflicht-bei-Verknuepfung-von-Vertragsabschluss-und-Post-Ident-Verfahren-5-U-93-11-Kammergericht-Berlin-20111021.html)

und

Urteil: Anbieter müssen über Vertragsschluss an Haustür aufklären (http://www.teltarif.de/urteil-vertrag-abschluss-postident-haustuer-brieftraeger-preselection/news/45162.html)

Nebelwolf

Fidul
04.09.2013, 02:14
VZ TH: Vertragsschluss per Postident Special (http://www.vzth.de/vertragsschluss-per-postident-special-)

Schnabelland
04.09.2013, 13:34
Wenn ich einen Vertrag entgegennehme und unterschreibe, will ich den auch durchlesen. Ich glaube, mein Briefträger wäre ziemlich sauer, wenn ich mir 10-15 Minuten Zeit nehme, Vertrag und die meist sehr umfangreichen AGB zur Kenntnis zu nehmen. Dann wird er mich entweder drängen (was ich mir verbitten würde!), oder er würde künftig erst recht nicht den Kunden darüber aufklären, dass er hier einen Vertrag unterschreibt, und die Unterschrift als "Formsache" ausgeben. Daher glaube ich:
* Entweder wird das Verfahren zu einer Menge Ärger für die Kunden führen, welche blind Verträge unterschreiben. Das führt dann dazu, dass vor dem Verfahren gewarnt werden wird. Sind die Kunden dann aufgeklärt, führt das zum nächsten Punkt.
* Oder: Die Kunden sind aufgeklärt und lesen den Vertrag in Ruhe durch. Das kostet den Briefträger Zeit (die er nicht hat), so dass diese sich über das Verfahren beschweren werden. Möglicherweise wird es dann durch die Post als "unpraktikabel" wieder eingestellt.

Dabei halte ich das Verfahren eigentlich durchaus für lobenswert - z.B. könnte man so bei Dokumenten auf der Durchschrift sich den Empfang bestätigen lassen und irgendwelche beim Einschreiben immer noch auftretenden Ausreden ("Der Brief war leer") umgehen. Da das Verfahren aber offenbar mal wieder von den Abzockern ausgenutzt wird - ich kannte es bis vor ein paar Tagen noch gar nicht, und die ersten, die es wohl mal wieder missbraucht haben, waren die Abzocker - handeln wir uns damit möglicherweise mehr Ärger als Nutzen ein...

Solli
04.09.2013, 13:43
Also das Verfahren an sich finde ich durchaus sinnvoll. Ich habe es kennengelernt, als meine Frau ein iPhone mit Vertrag gekauft hat. In diesem Fall lag ihr der Vertragstext schon vorher elektronisch vor. Sie musste ihn also nur noch überfliegen, um sicherzustellen, dass es sich um den selben Text handelt.

Wobei manche Abzocker bestimmt auch auf die tolle Idee kommen, per E-Mail eine andere Version des Vertrags zu versenden als dann unterschrieben werden soll. Nach meiner laienhaften Rechtsauffassung könnte man solche Verträge aber gut anfechten, und einzelne Klauseln (wie eine versteckte Kostenpflicht) wären gar nicht erst wirksam.

Hippo
04.09.2013, 14:42
Aber den Ärger hättest Du trotzdem und was nicht so ganz technikaffine Richter oft aus solchen Dingen machen ist uns doch hinreichend bekannt.
Auch da würden sich erstmal nur die wenigsten wehren und die meisten erstmal zahlen.

Fidul
16.11.2013, 18:21
ARD-Ratgeber Recht: Abzocke mit dem Postident-Verfahren (http://www.daserste.de/16112013-postident-verfahren-100.html)

Besonders "lobend" erwähnt wurde natürlich die notorische Gold International SE, die nicht umsonst hier einen feinen Thread (https://www.antispam-ev.de/forum/showthread.php?35247) hat.