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Thema: Pump and Dump / Scalping: Mit Disclaimer erlaubt?

  1. #1
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    Standard Pump and Dump / Scalping: Mit Disclaimer erlaubt?

    Hallo zusammen,

    auf Börsenseiten begegnet man immer wieder dem "altbewährten" Schema " [Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. ]", also eine Pennystock-Aktie zunächst billigst selbst kaufen, diese dann durch (oft sogar auch noch mehr oder weniger frei erfundene) "News-Meldungen" stark pushen, um sie dann zu deutlich gestiegenen Kursen an die Dummen zu verkaufen, die dem Trick auf den Leim gehen.

    Zitat zur Rechtslage aus Wikipedia:
    Seit 2016 finden sich die relevanten Vorschriften in der Marktmissbrauchsverordnung. Je nachdem, ob die Manipulationshandlung des Scalping lediglich dazu geeignet ist, auf den Börsen- oder Marktpreis einzuwirken oder ob es tatsächlich zu einer Einwirkung kommt, erfolgt eine Sanktion als Ordnungswidrigkeit (§ 120 Abs. 15 Nr. 2 WpHG), die mit einer Geldbuße bis zu 15 Million Euro oder 15 % des Vorjahresumsatzes belegt werden kann oder als Straftat (§ 119 Abs. 1 WpHG), für die Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren droht.

    Die Ahndung der Ordnungswidrigkeiten bzw. Straftaten des WpHG durch die BaFin wird erheblich dadurch erschwert, dass den Tätern ein Vorsatz zur Kursmanipulation meist nicht nachgewiesen werden kann und das „Schönreden“ bestimmter Wertpapiere an sich durch die grundgesetzlich garantierte Presse- und Meinungsfreiheit gedeckt ist. In den USA dagegen existieren deutlich schärfere Gesetze gegen das Scalping, hier können mehrjährige Freiheitsstrafen für überführte Täter verhängt werden. Die US-amerikanische Aufsichtsbehörde Securities and Exchange Commission (SEC) ist zu drastischeren Ermittlungsmethoden berechtigt als die deutsche BaFin. In den USA gilt der Grundsatz „Disclose or Abstain“ (Offenlegen oder sich heraushalten). Dies wurde vom BGH zitiert und gilt auch in Deutschland (BGH, Urteil vom 6. November 2003, Aktenzeichen 1 StR 24/ 03).

    Der Empfehlende hat in seinem Börsenbrief/Aktienempfehlung die Interessenkollision offenzulegen oder sich herauszuhalten, damit ihm nicht Scalping vorgeworfen werden kann.
    Hier ein Beispiel auf dem Börsenportal Ariva.de (lt. Logo unten rechts auf der Seite sogar gefördert von der EU, über das Land Schleswig-Holstein), das leider seit Jahren solche Scalper frei gewähren lässt, auf Hinweise dazu nicht reagiert und den Scalpern sogar kommerzielle Werbung verkauft:
    [Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. ] (wird aktuell auch dick in rot unter "News" beworben)

    Nach 17 Seiten "Analyse" folgen 6-7 Seiten Disclaimer. Zitat daraus:
    First Marketing, deren Mitarbeiter oder Gesellschafter sowie Personen bzw. Unternehmen und weitere nahe stehende Personen die an der Erstellung der Veröffentlichungen beteiligt sind halten zum Zeitpunkt der Veröffentlichung direkt oder indirekt Finanzinstrumente (zB. Aktien/Warrants/Optionen) in Bezug auf das Unternehmen über welche im Rahmen der Internetangebote berichtet wird. Dies begründet ebenfalls eine Interessenkollision. Der vorgenannte Personenkreis beabsichtigt diese Beteiligungen im Rahmen und zu jedem Zeitpunkt dieser Empfehlung zu verkaufen. Hierin besteht ein eindeutiger und konkreter Interessenkonflikt. Wobei insbesondere von einer erhöhten Handelsliquidität profitiert wird. Ein Kurszuwachs der Aktien der vorgestellten Unternehmen kann zu einem Vermögenszuwachs bei diesen Personen führen. Dies begründet laut Gesetz einen Interessenskonflikt, auf den wir hiermit ausdrücklich hinweisen.
    Ist Betrug mit Ankündigung im Kleingedruckten also erlaubt?

  2. #2
    Mitglied
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    Standard

    Warum sollten für unseriöse Anbieter strengere Regeln gelten als für große Geschäftsbanken?

    In praktisch jedem Fondsprospekt, Börsenzulassungsprospekt etc. findet man "irgendwo" in Standardschrift die Hinweise auf allgemeine und besondere Risiken, dafür sind die Prospekte meist sehr umfangreich und wiederholen Teile mehrmals. Banken, die beraten, weisen vorsorglich auf mögliche Interessenkonflikte hin, weil sie empfohlene Aktien oder Anlageinstrumente besitzen könnten. Banken die nur "empfehlen", weisen darauf hin dass sie "nicht beraten". "US-Kunden", also eigentlich jeder, der erfolgreich vor einem US-Gericht klagen könnte, werden oft als Kunden ausgeschlossen.
    Man vertraut in der gesamten Finanzbranche darauf, daß Kunden die umfangreichen Informationen nicht vollständig lesen, nicht verstehen oder gleich das ganze Produkt nicht verstehen. Leider scheinen selbst die sogenannten Profis viele Produkte oft nicht zu verstehen, weder als Verkäufer noch als Käufer (siehe u.a. Film "The Big Short").
    Der Unterschied zwischen seriösen und unseriösen Anbietern ist fliessend, auch bei bekannten Banken sind Beratungsgespräche dokumentiert, bei denen am Schluß der unerfahrene Käufer ein Beratungsprotokoll unterzeichnet, in dem alle Risiken erwähnt sind, vor allem die im Gespräch gar nicht erwähnten ("bedauerliche Einzelfälle").

    Beispiel Zertifikate: Ich biete dir eine Wette an, daß der DAX innerhalb eines Jahres einen bestimmten Kurs unterschreiten wird. Sollte der Kurs nicht unterschritten werden hast du die Wette gewonnen und bekommst Geld von mir. Sollte der Kurs unterschritten werden bekommst du kein Geld, bei erheblicher Unterschreitung bezahlst du Geld an mich. Klingt erstmal nicht schlecht. Nun beträgt dein Einsatz aber 1000 Euro, dein möglicher Gewinn 80 Euro, und du musst deinen Einsatz gleich überweisen und kannst die gesamte Summe verlieren wenn der DAX nur tief genug fällt, oder ich oder der hinter mir stehende Anbieter pleite geht oder mit deinem Geld verschwindet. Wer würde eine solche Wette annehmen, auch wenn die vereinbarten DAX-Kurse für dich günstig aussehen? Als Bank nenne ich die Wette "Zertifikat" und finde tausende Kunden. So etwas ist mir vor 2008 angeboten worden. "Heutzutage" liegt der mögliche Gewinn eher bei 50 Euro oder darunter, man nennt es manchmal auch "Aktienanleihe" und die Wette beruht auf einem einzelnen Aktienkurs, der Kurs bei dem man nichts gewinnt liegt nur knapp unter dem historischen Höchstkurs der letzten Monate. Als Anbieter vertraut man wohl darauf daß sich Privatkunden keine Emissionsprospekte durchlesen. Wobei aktuell sinkende Kurse eher andere Produkte hervorbringen.
    Sicheren Gewinn macht nur der Verkäufer auf Provisionsbasis. Das verleitet natürlich sehr zu "ehrlicher" Beratung.
    Oo:..

  3. #3
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    Zertifikate meide ich auch seit eh und je: Denn dabei fällt das Chance-/Risiko-Profil wohl immer zugunsten des Emittenten aus, während der unbedarfte Käufer auch noch denkt, er wäre schlauer und hätte gute Chancen. Immerhin verbreiten die Banken beim Verkauf solcher Papiere aber keine Lügen, sondern lassen den Kunden "nur" über seine wahren Chancen und das Risiko im Unklaren. Dass es auch andere Maschen gibt, macht die Scalper - und um die soll es hier gehen - zudem keinen Deut besser. Ich kann nicht nachvollziehen, warum "das „Schönreden“ bestimmter Wertpapiere an sich durch die grundgesetzlich garantierte Presse- und Meinungsfreiheit gedeckt ist", wenn es sich um frei erfundene Lügengeschichten handelt.

  4. #4
    Mitglied Avatar von heinrichh
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    auch wenn ich jetzt hier die Stammtischniveaukeule hervorhole:

    welcher Finanzdienstleister hat ein Interesse daran, MICH reich zu machen? Die wollen mein Geld, um damit SELBST reich zu werden, und im Idealfall trage ich das möglichst größte Risiko und erhalte dafür einen möglichst kleinen Gewinn.

    Nein, die sind nicht "böse", das ist nur deren Geschäft. Und dazu gehört auch die Werbung - und wenn sie pfiffig sind, versprechen sie einem das Blaue vom Himmel, und im Ernstfall stellt das Gericht dann fest, dass sie eigentlich nichts versprochen haben, nur ein kleine Wette - bzw. dass der Disclaimer im Absatz 687, RdNR IX/13, auf Seite 89 des Vertrages gestanden hätte.
    lupDujHomwIj lubuy'moH gharghmey

  5. #5
    Ritter der Tafelrunde Avatar von Arthur
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    Zitat Zitat von heinrichh Beitrag anzeigen
    bzw. dass der Disclaimer im Absatz 687, RdNR IX/13, auf Seite 89 des Vertrages gestanden hätte.
    Wenn schon die Geschäftsbedingen der Sparkassen auf fünf Seiten kleinstgedruckt ( 4 Punkt ? ) ca 80 Kapitel auflisten , kann man von einem einem zünftigen Finanzdienstleister doch etwas mehr erwarten.

  6. #6
    Mitglied Avatar von heinrichh
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    oh ja - und das Ganze stilistisch in einem Mix aus Finnegans Wake und der Kritik der reinen Vernunft :-)
    lupDujHomwIj lubuy'moH gharghmey

  7. #7
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    Zitat Zitat von ernergy4you Beitrag anzeigen
    Zertifikate meide ich auch seit eh und je: Denn dabei fällt das Chance-/Risiko-Profil wohl immer zugunsten des Emittenten aus, während der unbedarfte Käufer auch noch denkt, er wäre schlauer und hätte gute Chancen. Immerhin verbreiten die Banken beim Verkauf solcher Papiere aber keine Lügen, sondern lassen den Kunden "nur" über seine wahren Chancen und das Risiko im Unklaren. Dass es auch andere Maschen gibt, macht die Scalper - und um die soll es hier gehen - zudem keinen Deut besser. Ich kann nicht nachvollziehen, warum "das „Schönreden“ bestimmter Wertpapiere an sich durch die grundgesetzlich garantierte Presse- und Meinungsfreiheit gedeckt ist", wenn es sich um frei erfundene Lügengeschichten handelt.
    Wieder zum wahren Thema Pump & Dump: Ich kann nicht nachvollziehen, warum zumindest lt. Wikipedia "das „Schönreden“ bestimmter Wertpapiere an sich durch die grundgesetzlich garantierte Presse- und Meinungsfreiheit gedeckt ist", wenn es sich um frei erfundene Lügengeschichten handelt. Vermutlich ist das sehr wohl Betrug, es dürfte nur in der Praxis schwierig sein, nachzuweisen, dass das jeweils angepriesene Pennystock-Explorationsunternehmen keine überdimensionale Goldader gefunden hat?

  8. #8
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    Hier ein weiteres Beispiel:
    [Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. ]

    Unfassbare Gewinnmargen!: Unfassbare 800% Chance bei neuer Medien-Aktie! Zahlreiche Analysten überschlagen sich mit hohen Kurszielen!
    ...
    Offenlegung der Interessen: Grundsätzlicher Hinweis auf mögliche Interessenskonflikte gemäß § 34b WpHG sowie der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Marktmissbrauch – Marktmissbrauchsverordnung –
    ...
    Für die Berichterstattung über das in diesem Artikel besprochene Unternehmen BBTV Holdings Inc. wurden Verfasser und/oder Herausgeber entgeltlich entlohnt. Hierdurch besteht konkret und eindeutig ein Interessenkonflikt.

    Verfasser / Redakteur / Auftraggeber oder Vermittler halten zum Zeitpunkt der Veröffentlichung Aktien, Optionen oder Warrants der BBTV Holdings Inc. und können diese Positionen auch jederzeit aufstocken oder verkaufen! Hierdurch besteht konkret und eindeutig ein Interessenkonflikt.

  9. #9
    Ritter der Tafelrunde Avatar von Arthur
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    Unsere Neu-Vorstellung ist der Inbegriff der Monetarisierung des Internets!
    Was ist denn für ein gequirlter Quark?
    [Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. ]
    Unter Monetarisierung versteht man hauptsächlich die Bewertung in Geldeinheiten (z. B. von Arbeitsleistungen oder Umweltschäden) oder die Umwandlung von Werten in Geld (z. B. durch Veräußerung oder Vermietung).

  10. #10
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    Ein nicht unwesentlicher Teil der Pump&Dump-Opfer scheint sehenden Auges in sein Unheil zu rennen und dabei zu hoffen, quasi mit dem Urheber gemeinsame Sache machen und zumindest ein wenig abstauben zu können, wie bei der Reise nach Jerusalem (die letzten beißen die Hunde):
    [Link nur für registrierte Mitglieder sichtbar. ]

    Trotzdem, ein ebenfalls nicht unwesentlicher Teil der Opfer ahnt nichts von der Masche, die übrigens im Gegensatz zu D/AT/CH in den USA hart bestraft wird, weshalb sich die Fake-Analysen auch stets ausdrücklich nicht an US-Bürger wenden.

    Muss man nun mit jemandem Mitleid haben, der auf solch stereotyp immer gleichartig formulierte, reißerische "News" hereinfällt? Oma mit ihrem Ersparten wird das kaum sein, womöglich eher noch sehr unerfahrene Hobby-Börsenspekulanten. Das ändert aber nichts daran, dass das System auf Betrug und Ausbeutung Unwissender ausgelegt ist, selbst wenn genau dies im Disclaimer, den aber vermutlich nur wenige lesen, auch noch genau beschrieben ist.

    Geradezu absurd ist es, dass bekannte Börsenkurs-Portale wie Ariva mit den Urhebern gemeinsame Sache machen und diesen neben Reichweite auch noch ihre eigene Glaubwürdigkeit mitverkaufen, denn auf einem bekannten Börsenportal erscheinen solch billige Meldungen zumindest für einige glaubwürdiger, als wenn sie wie sonst als Spam daherkommen. Dass sich die Portale ihr eigenes Standing damit ruinieren, scheint ihnen egal zu sein. Der Verzicht darauf wäre ein Gebot der seriösen Geschäftsführung und leicht umzusetzen, was den Scalpern schon viel Wind aus den Segeln nehmen würde. Ariva & Co. machen aber scheinbar lieber indirekt mit?
    Geändert von ernergy4you (31.01.2022 um 14:55 Uhr)

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